Berndorf 07 - Trotzkis Narr
ohnehin schon kennen.«
N icht erschrecken«, ruft Keith halblaut in die Wohnung hinein, »ich bringe Besuch mit.« Mit einer Handbewegung bittet er Berndorf, doch einzutreten, und während dieser der Einladung folgt, kommt er nicht umhin, ein blondhaariges und leicht bekleidetes Geschöpf von einer Tür zur anderen huschen zu sehen. Keith besteht darauf, mit seinem einen Arm Mantel und Hut entgegenzunehmen, und weist dem Besucher den Weg durch den Flur in ein Wohnzimmer, das mit den Schwedenmöbeln der Zeit um 2010 eingerichtet ist. Auf dem Couchtisch stehen eine angebrochene Flasche Mineralwasser und ein Glas, in der Stereo-Anlage läuft ein Cello-Konzert, das in Berndorfs Ohren nach Boccherini klingt.
Berndorf nimmt Platz, Keith öffnet ein verschlossenes Fach in dem sonst offenen Bücherschrank, eine kleine Bar wird sichtbar, er holt erst eine dreiviertelvolle Flasche Scotch heraus und stellt sie auf den Couchtisch, dann bringt er die Gläser. Vielleicht, weil er alles mit einer Hand machen muss, sehen seine Bewegungen sehr nachdrücklich aus – als würde ein Varieté-Zauberer sein Publikum davon überzeugen wollen, dass er in der Flasche Scotch ganz unmöglich ein Karnickel untergebracht haben kann. Oder dass da irgendwelche Tropfen hineingeträufelt sein könnten.
»Mineralwasser? Eis?« Berndorf will den Whisky ohne alles, Keith schließt sich ihm an. Er schenkt ein, sie erheben die Gläser, »Cheers!«, sagt Keith, und sie nehmen beide einen Schluck. Berndorf will den Scotch loben, aber es öffnet sich die Türe, in Jeans und schwarzem Pullover erscheint Lena Quist im Zimmer, eine steile Falte zwischen den Augenbrauen. »Störe ich?« Sie nickt Berndorf zu und versucht ansatzweise ein Lächeln. »Wir haben uns heute ja schon gesehen.«
»Aber ich bitte dich!«, sagt Keith, »setz dich her … ausnahmsweise doch einen Whisky, einen kleinen?«
»Danke!« Ihre Hand macht eine kurze, abwehrende Bewegung, dann nimmt sie auf der Couch Platz, neben Keith, aber doch in einigem Abstand. Sie setzt sich sehr aufrecht, die Beine akkurat nebeneinander gestellt.
»Das hier«, sagt Keith und macht eine Armbewegung, die irgendwie Lena Quist und ihn einschließen soll, »ist ja ein absolutes Tabu. In dieser Gesellschaft, in der ja nahezu alles erlaubt ist, geht eines nicht: ein Verhältnis im Dienst. Und einfach ist es wirklich nicht, das dürfen Sie uns glauben. Jeden Tag diese Verstellung …«
»Die hast du manchmal schon gut drauf«, sagt Lena Quist. »Neulich zum Beispiel.«
»Was war da?«, fragt Keith mit einer Stimme, die bass erstaunt klingt.
»Tu nicht so. Die Sache wegen Crammenow.« Sie wendet sich an Berndorf. »Er hat mich heruntergeputzt, als wäre ich ein Schulmädchen.«
»Dann will ich mich in aller Form entschuldigen«, sagt Keith. »Aber Interna sollten wir vor unserem Besuch nicht ausbreiten, obwohl … du weißt, dass er sozusagen Kollege ist? Er hat mich nicht nur hergefahren, er hat uns überdies einen neuen Fall beschert oder vielmehr: seine Mitarbeiterin hat das getan, wie die Salome den Kopf des Johannes hat sie uns einen Totenschädel zum Abendbrot serviert, frisch aus dem Spandauer Forst …«
»Stopp«, sagt Lena Quist und steht auf, »du bist völlig übermüdet. Geh Zähneputzen! Ich helfe dir dann aus den Klamotten.« Sie wendet sich an Berndorf. »Sie haben ihn in seinem Wagen hergefahren? Dann darf ich Ihnen ein Taxi rufen.«
S ehr zu empfehlen wäre auch geräucherter Aal«, sagt Professor Eberhard Wohlfrom, vor dem Kühlschrank stehend, »das heißt, er ist mir heute Morgen empfohlen worden, in dem Delikatessladen, den ich manchmal aufsuche und der zumeist ein vorzügliches Angebot hat, es handelt sich um Aal aus heimischen Gewässern …«
»Keinen Aal bitte«, unterbricht ihn seine Frau, die gerade dabei ist, den Tisch für ein improvisiertes Abendbrot zu decken, »schon gar keinen aus heimischen Gewässern …« Sie wendet sich an die beiden Besucherinnen, die sie mitgebracht hat. »Ich wollte Ihnen nicht vorgreifen, aber aus den heimischen Gewässern habe ich für heute genug vorgesetzt bekommen.« Karen Andermatt meint, dass sie das ähnlich empfinde, und blickt zu Tamar, die aber nur leicht, fast unmerklich die Augenbrauen hochzieht. Tamar fühlt sich hier nicht wohl, denkt Karen, der geräucherte Aal wird noch das Geringste sein, was ihr hier auf die Nerven geht.
Professor Wohlfrom hat sich jetzt dem Wein zugewandt und empfiehlt einen leichten trockenen Roten aus dem
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