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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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weiß ich nicht. Aber ich habe mich bei den Kollegen vom polizeilichen Staatsschutz über Finklin unterrichten lassen. Danach gehört Finklin einer fanatischen trotzkistischen Splittergruppe an, die für unseren Staat und unsere Gesellschaft nur Abscheu und Hass empfindet. Allerdings ist diese Gruppe oder Zelle bisher mit terroristischen Aktionen nicht in Erscheinung getreten, das gebe ich zu.«
    »Ist er vorbestraft?«
    »Ja«, antwortet Keith widerstrebend, »ja, er war inhaftiert. Allerdings war das noch zu DDR-Zeiten …«
    »So? Häftling in der DDR? Politischer Häftling womöglich?«, fragt die Staatsanwältin zurück. »Dies spricht erst einmal nicht gegen ihn. Ausdrücklich nicht.«
    »Vielleicht macht ihn gerade das besonders gefährlich«, entgegnet Keith. »Sowohl Patzert als auch sein Freund oder Kamerad Kappolt haben vermutet, dass Harlass von diesem Finklin ferngesteuert wird. Sie müssen Gründe für diesen Verdacht gehabt haben, sonst wären sie nicht nach Crammenow gefahren, um dort Harlass zu stellen.«
    »Und wie soll der Mord an Patzert in dieses Bild passen?«
    »Vielleicht war es das Hauptziel der ganzen Aktion, die verschiedenen Fraktionen und Gruppierungen der rechten Szene gegeneinander aufzubringen«, antwortet Keith. »Ohnehin traut dort keiner dem anderen.«
    »Der eine kleine Hitler würde den anderen kleinen Hitler am liebsten in die Gaskammer schicken, wie?«, fasst die Staatsanwältin zusammen.
    »So ungefähr«, bestätigt Keith und lächelt säuerlich. »Dazu kommt, dass die Szene zu Beginn der Woche hochgradig alarmiert gewesen sein muss. Die Ermordung eines Polizisten passt derzeit keiner dieser Gruppen ins Kalkül, so haben es mir die Fachleute vom polizeilichen Staatsschutz versichert. Es passt jedenfalls dann nicht, wenn der Mord der rechten Szene angelastet wird. Wenn in dieser Situation dann auch noch der Chef einer Kameradschaft umgebracht wird, und das war Patzert, dann könnte das durchaus der Auslöser für einen allgemeinen und ziemlich blutigen Richtungsstreit sein. Vielleicht hat Finklin genau das beabsichtigt …«
    »Nett«, sagt die Staatsanwältin. »So was wie Beweise haben Sie auch?«
    »Wir haben die enge Verbindung zwischen Harlass und Finklin … Ich halte deshalb eine Hausdurchsuchung im Anwesen Finklin für dringend geboten. Und zwar besser jetzt als sofort. Da Harlass inzwischen im Gefängniskrankenhaus liegt, weiß Finklin, was auf ihn zukommen wird, und er wird versuchen, alles belastende Material …«
    »Eine Frage«, unterbricht ihn die Staatsanwältin. »Von wo aus wurde Harlass zuerst ins Krankenhaus gebracht? Von Crammenow, ja? Womöglich vom Anwesen dieses Finklin aus? Und wurde auch von dort der Notarzt angerufen?«
    »Gewiss«, sagt Keith. »Trotzdem würde eine Hausdurchsuchung …«
    »Nein«, kommt die knappe Antwort. »Jemand mit einer Hausdurchsuchung zu überziehen, nur weil er sich um einen Schwerverletzten gekümmert hat, der ihm vor die Türe gefahren wurde – dazu bringen Sie mich nicht. Ich habe keine Lust, politischen Selbstmord zu begehen.«
    »Dann bitte ich sehr um Entschuldigung«, sagt Keith. »Ich hatte gedacht …« Er spricht nicht weiter.
    »Was hatten Sie gedacht?« Plötzlich funkeln die Augen der Staatsanwältin. »Hat es Ihnen eigentlich nicht gereicht, wie der Anwalt Dingeldey uns vorgeführt hat? Ich will das kein zweites Mal erleben. Finden Sie heraus, lieber Herr Keith, über welche Kanäle diese verdammten Pistolen nach Berlin gekommen sind, und wenn da eine Spur zu dem Herrn Finklin führt, dann beschaffe ich Ihnen einen Hausdurchsuchungsbefehl, so schnell können Sie gar nicht gucken!«
    U lrich Jörgass hat eine Stulle aus seiner Aktentasche geholt, Edamer Käse und Schinken aus dem Sonderangebot, und sich dazu einen Pappbecher Cola aus der Supersparflasche vollgeschenkt. Kauend versucht er Zeitung zu lesen, genauer: den Kommentar eines Polizeireporters, der offenbar nicht so recht weiß, aus welcher Ecke der Wind weht, den er anzeigen soll.
    »… Es ist eine gute Nachricht für diese Stadt, dass der mutmaßliche Gewalttäter und mehrfache Mörder Lutz Harlass sich nun hinter Schloss und Riegel befindet. Auch wenn sich dahinter erst einmal ein warmes Bett befindet – das des Berliner Gefängniskrankenhauses. Aber es bleiben Fragen. War Harlass ein Einzeltäter? Hat er getötet, um bei seinen Gesinnungsgenossen endlich deren verquere Anerkennung zu finden? Das klingt zwar einleuchtend, aber die ewigen

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