Berndorf 07 - Trotzkis Narr
dort waren, hat da auch schon die Polizei rumgesucht. Aber sie hat nichts finden wollen. Also hat die Polizei einen Tipp gehabt. Und wenn der Patzert plötzlich auch diesen Tipp hat, wo sitzt dann das Vöglein, das es ihm gepfiffen hat?«
Er blickt sich um, denn an der Tür hat es geklopft. Dann wird sie auch schon geöffnet, und im Zimmer steht der Kriminalhauptkommissar Wolfgang Keith, den linken Arm noch immer in der schwarzen Schlinge. Jörgass steht auf und kommt ihm entgegen. »Du bist doch krankgeschrieben?« Sie tauschen einen Händedruck.
»Das geht schon«, meint Keith und nickt kurz zur Bekräftigung, »der Doktor hat mich laufen lassen, auf eigene Verantwortung. In der Situation jetzt …« Mit einer fragenden Kopfbewegung deutet er auf Kappolt.
»Das ist der Herr Uwe Kappolt«, sagt Jörgass, »er war am Mittwochabend zusammen mit Dolf Patzert in Crammenow, den Harlass suchen.« Er hebt dazu beide Hände, als wolle er diese Aussagen zur allgemeinen Betrachtung in den Raum stellen. »Er ist also einer der Letzten, die mit Patzert vor dessen Tod zusammen waren. In Crammenow war er angeblich deshalb, weil Patzert einen Tipp bekommen habe …«
»Ah ja?«, fragt Keith, halb an Jörgass und halb an Kappolt gerichtet. »Vermutlich von der Polizei, nicht wahr? Dazu sind wir doch da, dass man alles uns in die Schuhe schiebt. Und wo genau hat er in Crammenow nach ihm gesucht? Womöglich in dem Anwesen Bauernende Sieben?«
»Exakt«, antwortet Jörgass. »Das heißt, reingekommen ist er nicht …«
Keith geht zu Kappolt und stellt sich vor. »Bauernende Sieben – Sie wissen, wer da wohnt?«
Kappolt verzieht das Gesicht. »So ein Alter. Nicht ganz richtig im Kopf. Eine linke Zecke.«
Über Keiths blasses Gesicht zieht sich der Anflug eines Lächelns. »Dieser Herr Finklin – dass der links ist, oder irgendwie links« – er hebt die Hand und dreht sie kurz hin und her, als wollte er etwas beschreiben, das nur ungefähr oder annähernd richtig ist – »woher wissen Sie das?«
»Das weiß man eben … Die Leute im Dorf wissen es.«
»Und der Herr Patzert«, fährt Keith fort, »der hat geglaubt, Lutz Harlass wäre bei Finklin untergekommen?«
Kappolt zögert. »Das weiß ich nicht, was der geglaubt hat.« Plötzlich zeigt er zwei Reihen gelber schiefstehender Zähne. »Das müssen Sie ihn schon selber fragen.«
»Wenn Sie unverschämt werden«, sagt Keith, »besorge ich ganz schnell einen Haftbefehl.« Er blickt zu Jörgass und deutet mit dem Kopf zur Tür.
»Glückwunsch«, sagt Keith, als sie auf dem Korridor stehen und Jörgass die Tür zu seinem Büro zugezogen hat, »du hast da einen ganz wichtigen Zeugen in der Mangel. Eine Schlüsselfigur.«
»Das ist mir jetzt zu hoch.« Jörgass blickt verlegen.
»Mensch, Jörgass!«, sagt Keith, »vielleicht haben wir jetzt endlich den Drahtzieher, ohne den diese ganze Geschichte keinen Sinn ergibt … Versteh doch – dieser Lutz Harlass ist eine Marionette oder von mir aus eine kleine, dumme Maschine, die man zum Töten programmiert hat. Aber ich hab die ganze Zeit keine Idee gehabt, wer der Programmierer gewesen sein könnte. Erst jetzt dämmert es, stell dir das mal vor!«
»Tut mir leid, aber ich versteh nur Bahnhof.«
»Das macht nichts«, meint Keith. »Was wir jetzt brauchen, ist eine umfassende, hieb- und stichfeste Aussage dieses Kunden da und warum er geglaubt hat, dass Harlass bei Finklin in Crammenow zu finden sei. Und wenn du das hast, dann gehst du sofort zur Wohlfrom-Kühn und verlangst einen Hausdurchsuchungsbefehl für das Anwesen Finklin.«
»Willst du nicht lieber selber mit ihr reden?«
»Ja. Nein. Im Prinzip sollte ich mich aus der Sache Harlass heraushalten, das weißt du doch!« Keith überlegt. »Reden kann ich natürlich mir ihr … Habt ihr eigentlich was über diese Pistolen rausgefunden?«
»Negativ«, antwortet Jörgass. »In der Asservatenkammer sind keine Waffen mit dieser Seriennummer aufbewahrt worden, und der Waffenbehörde sind die Nummern auch unbekannt.«
D er langgestreckte Raum ist in hellen, fast warmen Tönen gehalten, und wo es irgend möglich war, hat der Architekt Holz verwendet. Die nebeneinander aufgestellten Tische mit ihren verschiebbaren Arbeitsplatten und den Spülbecken lassen Lena Quist für einen unangemessenen Augenblick an eine futuristische Küche denken. In Wahrheit befindet sie sich im Sektionssaal des Instituts für Rechtsmedizin an der Charité, und was bräunlich-schwärzlich vor ihr
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