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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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sucht einen Ortsplan, findet auch einen, aber der ist mit Hakenkreuzen übermalt. Über geduckte Häuser hinweg sieht er einen spitz zulaufenden Kirchturm und weiter links davon ein größeres Gebäude mit einem Dach wie eine mächtige Haube, es könnte ein Schloss oder ein Gutshof sein. Er geht in Richtung des Kirchturms und kommt so zur Hauptstraße, die ein bisschen so tut, als sei sie eine Allee, ein mit Bäumen bepflanzter Grünstreifen trennt links und rechts den Fuß- und Radweg von der Fahrbahn ab. Auch an der Kirche hat es keinen Ortsplan. Links eine Bäckerei, weiter vorne ein Gasthof, rechts eine Metzgerei. Ein alter Mann, der so aussieht, als sei er auch noch schwerhörig. Eine dralle junge Frau. Die fragt er erst recht nicht, sonst meint sie sonst was. Überhaupt muss niemand darauf gestoßen werden, dass hier einer herumläuft, der ortsfremd ist.
    Er kommt zu dem großen dreistöckigen Haus mit dem komischen Dach. Der Eingang ist von Säulen flankiert, und in dem steinernen dreieckigen Dingsbums über den Säulen ist ein Wappen eingelassen, das sieht aus, als sei es erst gestern frisch gestrichen und mit Goldauflage versehen worden. Das Schloss ist jetzt das Rathaus, und in der Eingangshalle findet er eine Anschlagtafel und tatsächlich einen Ortsplan, die Bauernende ist ein Weg, der von der Hauptstraße abzweigt und in die Pampa führt. Blöd nur, dass er zurückmuss, wieder vorbei an Metzgerei und Bäckerei, dass jedem darin vor Augen geführt wird, guck ma, der is nich von hier.
    Inzwischen fröstelt ihn nicht mehr. Das war gestern, dass es ihn gefröstelt hat. Und auch noch in der Nacht, in der Absteige. Jetzt fühlt er sich heiß. Fast verschwitzt. Auf der Hauptstraße haben sie Bänke aufgestellt, damit sich hinsetzen kann, wer immer das aufregende Treiben auf der Hauptstraße von Crammenow verfolgen will. Am liebsten würde er sich auf eine solche Bank legen, nur ein paar Minuten …
    Endlich kann er die Hauptstraße hinter sich lassen. Ein kleines Häuschen, das ist Bauernende Nummer 3. Noch ein Häuschen, Bauernende Nummer 5. Dann Wiese. Kahle Obstbäume. Dann Wiese ohne Obstbäume. Er hat sich verlaufen. Ganz sicher hat er das. Aber jetzt will er nicht noch einmal umkehren. Und die Aktentasche geht ihm auf den Geist. Wenn er sie mit ausgestrecktem Arm hält, schlägt sie ihm gegen das Bein. Und um sie unter den Arm zu nehmen, ist sie zu gestopft. Vielleicht findet er irgendwo einen Platz, wo er sich für ein paar Minuten ausruhen kann. So etwas wie die Scheune. Wann war das noch mal? Vorgestern. Aber so viel Glück wird er nicht noch einmal haben.
    Ein Baum, eingezäunt, unterm Baum und hinterm Zaun ein Häuschen, von abgeblühten Kletterrosen halb zugewachsen. Unter der Rosenhecke graubraungelber DDR -Anstrich, Walmdach. Fensterrahmen rot gestrichen. Nett. Harlass bleibt an der Gartenpforte stehen. Neben der Haustür ist knallrot auf weißem Kreis eine Sieben gepinselt. Eigentlich hat es keinen Sinn, was er vorhat. Aber er weiß nicht, was er sonst tun soll. Er geht durch die Gartenpforte zur Haustüre und drückt auf die Klingel, die widerhallend im Haus anschlägt und wütendes Hundegebell auslöst, erst jetzt sieht er das Warnschild an der Tür: »Vorsicht! Gefährlicher Hund!« Warum sieht er das erst jetzt? Irgendjemand ruft etwas, er kann es nicht verstehen, denn der Hund bellt noch immer. Die Tür öffnet sich, eine schwarzhaarige Frau steht vor Harlass und mustert ihn aus blauen Augen, zwischen ihren Beinen versucht sich ein kleiner graubrauner Hund durchzuzwängen. Die Frau bückt sich und zerrt den Hund am Halsband ins Haus zurück und zieht dann die Tür hinter sich zu.
    »Was du wolle?« Die Stimme ist tief, fast kehlig. Eine Ausländerin. Was erzählt er der? Das Haus sieht nach Leuten aus, die viel selber machen, ohne es zu können. Sag es doch gleich: Nach linken Zecken sieht das aus. Nach Müsli und Kultimulti. Und nach einem Hund, das ist das Allerschlimmste.
    »Entschuldigen Sie die Störung«, sagt er, »aber haben Sie eine kleine Arbeit für mich? Holz hacken vielleicht? Oder etwas im Garten? Sie müssen wissen, ich komme aus dem Gefängnis, vor einer Woche hat man mich entlassen …«
    I nzwischen steht fest, dass Polizeihauptkommissar Jonas R. mit derselben Waffe getötet wurde, die auch knapp 24 Stunden zuvor bei dem Mord an dem 57jährigen Senatsangestellten Giselher M. benutzt worden ist. Es sei aber noch zu früh, um über einen Zusammenhang der beiden Verbrechen zu

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