Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
stecken, aber tief im Knubben. Also holt er noch mal aus, dreht aber die Axt, so dass er diesmal mit der Oberkante aufschlägt, und der Knubben fliegt auseinander.
    »Du musst das Gewicht vom Holz mit in den Schlag hineinnehmen, verstehst du?«
    Es ist Harlass egal. Alles ist ihm egal. Er überlegt, ob er zu seiner Tasche gehen und eine von den Knarren herausholen soll. Aber wohin will er dann mit den zwanzig Euro in der Tasche oder ein paar zerquetschten mehr? In seinem Zustand kommt er nirgendwohin …
    »Was ist eigentlich mit dir los?«, hört er den Alten fragen. »Hast du Drogen genommen?« Er will sagen, dass er krank sei, aber da steht der Alte schon vor ihm und legt ihm die Hand auf die Stirn.
    »Dann wundert mich nichts mehr«, kommt es kurz darauf. »Du hast einen sauberen Infekt … und was ist das hier?« Er hat Harlass’ Arm genommen und streift den Ärmel des Pullovers zurück. »Ein Hakenkreuz. Na reizend.« Er lässt den Arm wieder los. »Wir wollen ja keine Unmenschen sein. Aber dass sich ein Jungnazi ausgerechnet von mir verarzten lassen will, das ist … also, mein Lieber, das ist wirklich ein bisschen viel verlangt!«
    E igentlich habe sie keine Zeit, hatte Vera Gramitz am Telefon gesagt. »Schon gar nicht für solche Fragen. Das ist vorbei.« Vor Jahren, als sie noch Kriminalkommissarin im Dezernat für Jugendschutz war, hatte sie mitgeholfen, die Arbeitsgemeinschaft »Offene Polizei« aufzubauen, einen Zusammenschluss von Polizeibeamten, die nicht länger ertragen wollten, dass die Polizei noch immer so geführt wird, als sei es ihre wichtigste Aufgabe, Atommüll-Transporte nach Gorleben zu sichern. Nach einigen Jahren resignierte sie und schied aus dem Polizeidienst aus.
    »Es hatte keinen Zweck mehr«, erklärt sie Berndorf. »Wenn das Vertrauen einmal weg ist, sehen Sie überall nur noch Verschwörungen. Das ist auf Dauer nicht gut.« Vera Gramitz ist eine mittelgroße, eher hagere Frau, ihre schon weißen Haare sind kurz geschnitten, an der rechten Hand ist ein einzelner Fingernagel – der des Ringfingers – rot lackiert. Seit einigen Jahren leitet sie ein Hilfsprojekt für Berliner Straßenkinder. Empfangen hat sie Berndorf dann aber doch, am Ende ihrer montäglichen Sprechstunde, und noch immer hält sie seine Karte in den Händen. »Sie waren selbst einmal Mitglied oder hatten sich für eine Mitgliedschaft interessiert? Ich glaube mich an Ihren Namen zu erinnern … trotzdem weiß ich nicht, warum Sie zu mir gekommen sind und wie ich Ihnen helfen könnte.«
    »Es geht um die beiden Männer, die Ende der vergangenen Woche erschossen wurden«, sagt Berndorf. »Einer von ihnen ist der Polizeihauptkommissar Jonas Regulski. Soviel ich mitbekommen habe, befand er sich nicht im Dienst, gleichwohl könnte es denkbar sein, dass er zufällig auf seinen Mörder gestoßen ist, ihn vielleicht für verdächtig hielt und deshalb von ihm erschossen wurde. Möglich ist aber auch …«
    »Dass er in eine Sache verstrickt war«, unterbricht ihn Vera Gramitz, »die ihn das Leben gekostet hat … Wie, sagten Sie, war der Name? Regulski? Bezirk Mitte, ja?«
    Berndorf nickt.
    »Und das ist der, den man im Spandauer Forst gefunden hat?« Sie wendet den Blick von Berndorf ab und schaut hinüber zum Fenster. Berndorf überlegt, was sie dort sehen mag. Das Fenster geht auf einen Hinterhof, und auf dem gibt es einen Fahrradständer und einen Behälter für die Mülltonnen.
    »Natürlich kannte ich ihn«, sagt sie schließlich. »Die Kinder, die zu uns kommen …« Sie hebt kurz die rechte Hand und lässt sie wieder fallen. Es ist auch so klar, was sie sagen will. Kinder, die bei ihr Hilfe suchen, haben manchmal auch ein Problem mit der Polizei. Manchmal oder gar nicht so selten. »Ich hab immer wieder mal mit ihm telefoniert. Ganz sicher war ich ihm suspekt. Das heißt – suspekt ist gar kein Ausdruck. Er muss mich für eine Verräterin oder so etwas gehalten haben, der Arme!« Plötzlich muss sie lachen. »Merkwürdigerweise kam ich gerade deshalb ganz gut mit ihm zurecht – er war so darauf bedacht, mich mit eisgekühlter Korrektheit zu behandeln, dass er mir aus lauter Verachtung manchmal weiter entgegenkam, als ich es sonst hätte erwarten können.«
    »Wenn er Ihnen entgegenkam, hatte er vermutlich weniger Papierkram am Hals«, wendet Berndorf ein.
    »Das wird auch eine Rolle gespielt haben«, räumt Vera Gramitz ein. »Aber trotzdem weiß ich noch immer nicht, warum Sie sich überhaupt für ihn

Weitere Kostenlose Bücher