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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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stellt Patzert fest. »Das kann ich verstehen. Die Sache ist Ihnen aus dem Ruder gelaufen.«
    »So?«, kommt es aus dem Fond. »Mir ist das passiert? Wirklich?«
    »Geben Sie nicht mir die Schuld«, sagt Patzert eilig und bremst ab, denn die Ampel vor ihm schaltet auf Rot. »Sie hatten alle Informationen, wahrscheinlich sogar mehr als ich. Ich wusste ja nicht einmal genau, wofür Sie Harlass einsetzen wollten.«
    »Es ist lustig, Ihnen zuzuhören«, sagt der Mann im Mantel. »Wenn Ihnen mal einer den Strick um den Hals legt, werden Sie auch noch glauben, dass das nichts mit Ihnen zu tun hat.«
    Patzert öffnet den Mund, dann beschließt er, doch lieber zu schweigen. Außerdem schaltet die Ampel auf Grün, und er kann wieder anfahren. »Erzählen Sie mir irgendwann, warum Sie mich sprechen wollten?«
    »Haben Sie es eilig?« Der Mann beugt sich vor und fasst mit den Fingern prüfend den Stoff von Patzerts Sakko an. Der zieht ärgerlich den Arm weg. »Nur mit der Ruhe!«, sagt der Mann. »Feine Jacke haben Sie da an, wollen Sie heute noch zum Tanzen gehen? Haben wohl inzwischen eine kleine Freundin, wie? Wird ja auch Zeit.«
    »Tanzen?«, fragt Patzert zurück. »Sie werden bald einen Tanz haben, dass Ihnen Hören und Sehen vergeht. Wenn Sie nicht …« Er spricht nicht zu Ende, sondern zuckt nur mit den Schultern.
    »Wenn wir nicht was tun oder unterlassen?«, fragt der Mann. »Und warum reden Sie in so unvollständigen Sätzen? Dämmert Ihnen langsam etwas?«
    Patzert schweigt. Eine Kreuzung kommt in Sicht, ungefragt ordnet er sich links ein, um wenden zu können.
    »Offenbar wollen Sie sich nicht länger mit mir unterhalten. Ist mir recht, so viel Zeit hab ich nämlich nicht … Hat Harlass eine Connection nach Polen?«
    »Nach Polen?«, wiederholt Patzert. »Glaub ich nicht. Das sind dort ziemlich üble Typen. Die nehmen ihm höchstens das Geld ab und die Knarre, die ihm ja wohl irgendjemand gegeben haben muss, und dann schmeißen sie ihn in die Oder.«
    »Also ist er noch im Land. Irgendwo untergekrochen.«
    »Wen juckt das, außer Sie?«
    »Es gibt zwei Möglichkeiten«, antwortet der Mann. »Entweder Sie erwischen ihn. Dann können Sie sich überlegen, was zu tun ist. Oder wir erwischen ihn.«
    »Und dann?«
    »Dann muss man sehen, wie es abläuft. Was Harlass zu sagen hat und über wen. Welche Namen er nennen kann und welche nicht. Halten Sie da vorne, ich will noch ein paar Schritte gehen.«

Montag

W ald. Felder. Dorf. Es sieht immer gleich aus und immer wieder ein bisschen anders. Dorf. Felder. Wald. Gestern fuhr der Zug manchmal an einem See vorbei. Felder. Wald. Dorf. Und gestern Abend war er in Frankfurt/Oder. Dort hat er eine Absteige gefunden. Und geschlafen. Richtig geschlafen. Nicht die Spur von einem Traum. Nur, dass er am Halsweh aufgewacht ist. Er nimmt einen Schluck aus der Cola-Dose, das brennt ein wenig, aber besser wird es nicht davon.
    Wald. Felder. Dorf. Irgendwann muss er aussteigen. Bald. Jetzt dann. Am liebsten würde er weiterfahren. Irgendwohin. Bis zum Abend könnte er so am Fenster sitzen. Und morgen wieder Felder/Dorf/Wald. Aber viel ist von Regulskis drei Hundertern nicht übrig. In der Potsdamer Bahnhofsgalerie hat er sich einen elektrischen Rasierer gekauft. Einen Pyjama. Und die Zahnbürste. Regulskis Aktentasche sieht jetzt aus wie gestopft.
    Warum Crammenow? Warum nicht? Wohin sonst? Der Mann dort wird ihm sagen, warum Regulski seinen Namen notiert hat. Doch, doch. Er wird vielleicht ein bisschen nachhelfen müssen. Aber der Mann wird es erzählen. Und dann wird er vielleicht ein wenig mehr wissen über das Spiel, das Dolf mit ihm gespielt hat. Und Regulski. Und der Kerl, der hinten im Opel saß und getan hat, als wüsste er alles über einen, der ganz besonders, der Allerübelste.
    Wieder blickt er zum Fenster hinaus. Kiefernwald, ja doch. Dann wieder weites Feld. Ferne ein einzelnes Haus. Ein Baum davor. Zaun drum herum. Wer lebt da? Und warum? Vorbei! Und wieder Wald, der Wald verschwindet, Harlass lehnt den Kopf gegen die seitliche Ohrenstütze, ich will nicht schlafen, denkt er noch, und nicht von diesem Hund träumen …
    Der Zug bremst ab, sein Oberkörper kippt nach vorne, er schreckt hoch, »Crammenow Bahnhof«, flötet die elektronische Zugdurchsage, er stemmt sich hoch, packt Regulskis Aktentasche und kommt gerade noch aus dem Zug, ehe dieser wieder anfährt.
    Crammenow also. Das Bahnhofsgebäude verriegelt, Wartesaal und WC wegen Vandalismus geschlossen. Harlass

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