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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 2
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Wennerscheid lachte. Na, da hatte der ja endlich genug zu stapeln, der mit seinem Holz vor der Hütte!

Der Pokal
    von S TEFAN V ALENTIN M ÜLLER
    Er beobachtete die Pose. Leuchtend orange taumelte sie auf der dunklen Oberfläche des Maars. Wie eine kleine Boje. In einem Bogen führte die feine, bläuliche Angelschnur von der Wasseroberfläche zum Spitzenring der Rute. Der Wind stellte die Pose schräg, kleine Wellen dreggten um den Körper aus Kork. Hans Kleinfeld benutzte nur Naturmaterialien für seine Schwimmer. Beim Angeln war er Traditionalist. Der ganze neumodische Kram war ihm zuwider, wie er bei jedem Angler-Stammtisch betonte.
    Der Stammtisch. Als er letzten Sonntag in die
Kühle Quelle
gekommen war, waren die Gespräche verstummt. Wie in einem alten Western, hatte er noch gedacht. Dann hatten die Kollegen aus dem Angelverein einer nach dem anderen bezahlt und waren gegangen. Auch jetzt hielten sie Abstand, als hätte er eine ansteckende Krankheit.
    Der Pokal stand auf einem Tisch am Ufer, er glänzte wie Gold in der Morgensonne. Der Pokal, den Gereon Wagner mit großer Geste gestiftet und fünfhundert Euro Preisgeld unter dem Beifall der Angelbrüder dazugelegt hatte. Kein Wunder, dass heute alle da waren. Selbst Hufgard, der Ortspolizist, versuchte sein Glück, er, der nie etwas fing. Vor dem Tisch die noch leeren Stühle der Richter und die Fischwaage. Drüben, am anderen Ufer des Maars drängten sie sich beinahe. Rute neben Rute hing dort über dem Wasser. Ihm sollte es recht sein, die dicksten Karpfen hielten sich noch im Schatten, und der Schatten war bei ihm.
    Licht und Schatten, dachte er. Schon in der Lehrzeit hatte sich Gereon Wagner aufgespielt, beim Tanz hatte er die hübschesten Mädchen abbekommen und später Agnes geheiratet. Agnes, um die auch Hans geworben hatte. Sie war zu einer hochnäsigen Unternehmersgattin geworden, die ihn kaum noch grüßte. Dabei hatte er stets besser gearbeitet, er, zu dem das Material sprach, wie der alte Schustermeister immer sagte. Hans liebte den Duft von Leder und Klebstoff in der Werkstatt – Gereon war der Geruch schon damals zuwider gewesen. Deshalb hatte er, Hans, das Geschäft vom alten Ackermann bekommen, nicht Gereon. Der hatte dann fabrikfertige Schuhe verkauft, Billigware. Erst hier im Ort, dann kam in der Kreisstadt die erste Filiale, bald die zweite, die dritte. Wagner-Schuhe – wie oft hatte er sie in der Hand, schlecht verarbeitete, widerspenstige Laufartikel. Unter guten Schuhen verstand Hans etwas anderes. Doch wer kaufte heute noch gute Schuhe? Gereon war ein echter Geschäftsmann, das musste man ihm lassen, aber kein Schuster.
    Auch kein Angler. Nur durch seine Spenden war er in den Vorstand gewählt worden, kaum einer hatte dagegen für ihn, Hans Kleinfeld, gestimmt. Dabei holten alle das Karpfenfutter bei ihm. Keiner mischte solch fängigen Futterbrei. Auch heute fischten alle damit, selbst der Ortspolizist. Alle waren sie die letzten Tage gekommen und hatten kleinlaut einen Eimer mitgenommen, auch wenn sie ihm auf der Straße aus dem Weg gingen. Wegen des Verdachts. Er lächelte und gab Schnur nach, damit die Pose etwas weiter hinaustreiben konnte. Eine sonntägliche Ruhe lag über dem Wasser. »Die Maare sind die Augen Gottes«, hatte sein Vater einst gesagt, als sie am Ufer des kreisrunden Sees gestanden hatten.
    Freitag vor einer Woche war es gewesen. Es kam Hans vor, als lägen der Abend und die lange Nacht Jahre zurück. Es hatte an der Tür zur ehemaligen Waschküche geklopft, Hans war gerade dabei, das Gaff zu schleifen. Er liebte gepflegtes Werkzeug. Mit dem Daumen prüfte er die Edelstahlspitze – bleistiftspitz. Wie in zimmerwarme Butter würde der Haken in die Karpfenköpfe dringen, um die schweren Körper aus dem Wasser zu ziehen. Gereon Wagner stand vor seiner Tür. Wie immer im Anzug. Er trug feine englische Schuhe, die hatte er sicher nicht in seinem eigenen Sortiment. Gereon schaute sich pikiert in der Waschküche um. »Na, Kleinfeld, bereitest dich auf den Wettkampf vor?«
    »Was willst du?« Das auslaufende Rad der Schleifmaschine gab einen hohen Ton von sich.
    »Ich weiß nicht, ob du es gehört hast? Ackermanns Tochter hat mir das Haus verkauft.«
    Hans Kleinfeld hatte das Gefühl, als stecke ein Keil in seiner Kehle, nur mit Mühe gelang es ihm, wieder einzuatmen. »Was hast du vor?«
    Mit Daumen und Zeigefinger nahm Gereon Wagner eine fleckige Zeitung vom alten Holzstuhl und ließ sie auf den Boden fallen. Er

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