Berndorf, Jacques (Hrsg)
Backsteinen beschwert auf den 50 Meter tiefen Grund hinabsinken. »Hier bist du in bester Gesellschaft«, verabschiedete er seine Frau. Das Totenmaar, ein feuchtes Grab für die Habgierigen und Herzlosen.
Elisa wartete wie vereinbart im Auto. Durch den Rückspiegel sah sie ihn stürzen. Unwillkürlich musste sie über das skurrile Schauspiel lachen. Mühsam rollte er sich unter dem leblosen Gewicht hervor, schulterte den Sack erneut und stolperte in die Dunkelheit. Bisher war alles reibungslos verlaufen. Seine Frau hatte nicht lange gezögert. Bereits einen Tag nach dem Telefonat hob sie das Geld von dem Konto ihres Mannes ab. Ihr spurloses Verschwinden würde niemanden misstrauisch machen, konnte Elisa ihn beruhigen. Nicht, nachdem seine Frau ihre Verachtung derart zur Schau getragen hatte. Verlassen hätte sie ihn, vorher sein Konto geplündert. Das Geld? Ein Kredit, aufgenommen für eine größere Investition, ja, seine Frau hätte natürlich davon gewusst und die Gelegenheit schamlos ausgenutzt. Elisa griff auf die Rückbank und zog einen Koffer hervor. Sie öffnete ihn und ließ die Hand liebevoll über die Scheinbündel gleiten. 300.000 Euro! Ein Jahr war sie mit ihm ins Bett gestiegen, hatte sein erbärmliches Leben versüßt. Wie gut sie seine Frau verstehen konnte!
Als die Leiche den Grund des Maares erreicht, verlässt der Wagen den Parkplatz der malerischen Kapelle. Gegen das Licht des Vollmonds zeichnet sich die Silhouette eines einsamen Ruderers ab.
So ganz ohne Nachbarn
von Michael Rossié
Als das Telefon klingelte, hatte Reinhard Ehrmann gerade das Mittagessen vor der Panoramascheibe mit Blick auf die in allen Grüntönen schimmernden Berge eingenommen.
»Eifeler Regionalkurier, ich darf Sie beglückwünschen.«
»Wozu?« Ehrmann brauchte ein wenig, um wieder in der Wirklichkeit anzukommen.
»Sie haben einen Präsentkorb gewonnen«, sagte der Mann am Telefon.
»Ich nehme grundsätzlich nicht an Gewinnspielen teil.«
»Sie sind das tausendste Mitglied des Fördervereins der städtischen Leihbücherei.«
»Ich war hier nie in einer Bücherei.«
»Das müssen Sie auch nicht.« Der Mann am anderen Ende der Leitung schien dieses Gespräch schon öfter geführt zu haben. »Jedes neue Mitglied unserer Gemeinde gehört automatisch dazu. Wie Sie es auch drehen und wenden – Sie haben gewonnen. Und ich werde ein Porträt über Sie in unserer Zeitung schreiben. Wann kann ich vorbeikommen?«
»Gar nicht!«, brummte Ehrmann, »ich stifte das Zeug!« Dann legte er auf.
Als es am Nachmittag an der Tür klingelte, war Ehrmann gerade beim Wirtschaftsteil.
Ein junger Mann in Jeans und halblanger Lederjacke stand vor der Tür. »Sven Sander, Eifeler Regionalkurier«, sagte er strahlend, »ich hatte mich eben angemeldet.« Bevor Ehrmann antworten konnte, schob sich der junge Mann in die Wohnung.
»Raus mit Ihnen!«, sagte Ehrmann »ich will keinen Artikel in der Zeitung.«
»Publicity braucht doch jeder!« Sander legte ein sonores Timbre in die Stimme.
»Ich nicht!«, wiederholte Ehrmann. »Bitte verlassen Sie sofort mein Haus.«
Jetzt drehte sich Sander um. Alles Freundliche war verschwunden, als sei es nie da gewesen. »Ich werde einen Artikel über Sie schreiben, so viel steht fest.«
»Ich will nicht!«, sagte Ehrmann wie ein trotziges Kind. Was wollte dieser Typ?
»So viel passiert hier in der Eifel nicht!«, fuhr der junge Mann fort. Ich kann mir doch ein so wichtiges Thema für einen Artikel nicht entgehen lassen. Schließlich lebe ich davon.«
Ehrmann hatte verstanden. Er begann nach seiner Geldbörse zu suchen. »Hier sind 50 Euro, das dürfte die Unkosten für den entgangenen Artikel decken.«
»Was denken Sie über die Eifel?«, sagte der Journalist lachend.
»Nur das Beste«, sagte Ehrmann, jetzt hörbar gereizt. »Hier wohnen nette, freundliche Menschen, aber jetzt lassen Sie mich um Gottes willen endlich allein.«
Sander ging als Antwort ins Wohnzimmer und setzte sich – mit Blick auf die Landschaft.
»Ich rufe die Polizei!«, sagte Ehrmann.
»Bestellen Sie Rudi schöne Grüße, ich muss sowieso bei ihm vorbei, die Äpfel abholen«, sagte Sander gut gelaunt. »Es zieht, ich schlage vor, Sie schließen die Tür und setzen sich.«
Ehrmann atmete tief, ging zurück in den Flur, schloss die Haustür und setzte sich. »Hören Sie!«, begann Ehrmann, »ich habe mich hier in die Eifel zurückgezogen, weil ich meine Ruhe haben will. Unberührte Natur, gradlinige Menschen, warmherzige
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