Berndorf, Jacques (Hrsg)
gefunden hat. Er sagt, wozu sonst sollte man so viel Holz stapeln, als um darin Leichen zu verstecken!«
»Nicht meine Holzstapel!« Das war zu viel! Tränen der Verzweiflung liefen über das Gesicht des hartgesottenen Eifelbauern. »Nicht meine Holzstapel!« Er sank auf seinem Stuhl zusammen, hilflos, ratlos. Ganz leise wimmerte er: »Aber ich habe doch gar nichts getan …«
»Eh, João!« rief Tobias Wennerscheid zwischen den Zweigen der Korkeiche her. Der Gerufene stellte die Leiter an den Baum, damit er aus der luftigen Höhe hinuntersteigen konnte. Am Boden angelangt, wischte Wennerscheid sich den Schweiß aus der Stirn und gab João das kleine Beil zurück, mit dem er die Rinde am oberen Ende des Stammes abgetrennt hatte. Der andere klopfte ihm auf die Schulter, gab ihm eine Flasche Wasser und begann, mit einem langstieligen Schieber die Rinde vom Baum zu lösen.
Das hatte man ihm mit Händen und Füßen erklärt: Hierbei war es besonders wichtig, dass man den Baum nicht verletzte, damit er bald wieder neuen Kork produzieren konnte, deshalb wollte man ihn diese schwierige Arbeit, die viel Gefühl und Erfahrung verlangte, nicht machen lassen. Neun Jahre brauchte es, bis die Korkeiche wieder eine so dicke Schicht produziert hatte, dass man sie gut auf dem internationalen Markt verkaufen konnte, und da war es schon ein Risiko, dem Fremdling aus Alemanha dies zu überlassen, auch wenn ihm alle bescheinigten, ein besonderes Gefühl für diese speziellen Pflanzen mitzubringen.
Auch nicht so viel anders als meine Buchen, dachte Wennerscheid, eigentlich waren es ja auch gar keine Eichen, sondern wirklich eine Buchenart, das hatte er gleich gemerkt, dass hier so etwas Ähnliches vor ihm stand wie das, was er in seinen Wäldern geerntet hatte. Hier in Portugal wuchsen sie halt etwas wärmer, das musste er neidlos anerkennen, besonders, wenn er in den blitzblanken Himmel sah.
Um sich herum sah er eine sonnenverbrannte Landschaft aus Hitze und Kargheit. Nur die Bäume gaben etwas Schatten. Ganz anders war es hier, als er es gewohnt war aus den tiefen Eifelwäldern, in denen die dichten Blätter der hohen Bäume malerische Lichtinseln auf den mit Farnkraut überzogenen Boden malten. Aber schön war es auch. Wärmer.
Und dabei war es nur ein Zufall gewesen, der ihn auf dieses wunderschöne Fleckchen Erde geführt hatte. Eigentlich hatte er ja auch nur den Hermann-Josef mal kurz ärgern wollen, so ein paar Schwierigkeiten machen. Ein bisschen Blut verspritzen, die Polizei aufscheuchen. Das mit dem Blut war ganz einfach, denn die Axt war so scharf, dass er sie nur über seinen Unterarm hatte ziehen müssen, um einen schrecklichen Blutschwall zu produzieren. Nur mit Mühe hatte er ihn mit seinem Hemd stillen können, das hatte er dann irgendwo hingestopft, im Garten, zwischen die Holzscheite.
Da war er sich schon ziemlich albern vorgekommen und hatte eigentlich schon nicht mehr genau gewusst, was die ganze Aktion eigentlich sollte. Und um darüber einmal in Ruhe nachzudenken, war er in den Wald gefahren, einfach so, um seine Ruhe zu haben. Doch dann war da dieser Lastwagenfahrer gewesen, der ihn dort auf dem Waldparkplatz bei Höfen aufgesammelt hatte, ja, und der war geradewegs bis an die Algarve durchgefahren. Drei Tage und Nächte waren sie unterwegs gewesen, bis sie ankamen. Der Gonçalo war ganz glücklich gewesen, er hatte ja nie im Leben damit gerechnet, dass er jemanden mitnahm, der einen LKW-Führerschein hatte und sich mit ihm abwechseln konnte. Und so brachte er ihn zu seiner Familie, zu João, zu dessen Frau Teresa und zu Filipa, ja, auch zu Filipa. Wenn er an sie dachte, dann wurde ihm noch wärmer ums Herz, als ihm in der Hitze schon war. Sie war die Tochter von Gonçalo, nicht mehr ganz die Jüngste, aber das war er ja auch nicht. Und die Blicke, die sie ihm zuwarf …
So was wartete in der Eifel nicht auf ihn! Was gab es denn da überhaupt? Nur Frust und Ärger! João hatte ihn schon gefragt, ob er nicht noch diesen Monat bei der Ernte helfen könnte. Und dann musste man auch in die Olivenhaine, Arbeit ohne Ende, die alleine nicht zu schaffen war.
Also, das reizte ihn ja doch schon, Olivenernte, davon hatte er so viel gehört. Diesen Monat würde er auf jeden Fall noch bleiben, und dann würde man sehen. Vielleicht blieb er ja auch ganz hier. Den Hof hatte sich sicher schon die Bank unter den Nagel gerissen, und durch seine Wälder fuhr bestimmt schon der Menges mit seinem Harvester. Tobias
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