Berndorf, Jacques (Hrsg)
betrachtete kurz die Sitzfläche, als ob er mit sich ringe, Platz zu nehmen. »Was denkst du, habe ich mit der Bruchbude vor? Abreißen natürlich. Ich habe Pläne für einen großen Schuh-Discounter. Um deine Schusterwerkstatt tut es mir leid, aber Geschäft ist Geschäft.«
Hans Kleinfeld konnte sich später nicht mehr daran erinnern, was er in dem Moment gedacht hatte, ob er überhaupt etwas gedacht hatte. Er konnte sich nur noch an Wagners Blick erinnern und an das Wort
niemand
. Niemand würde ihm die Schusterwerkstatt wegnehmen. Schon gar nicht Gereon Wagner, der ihm schon zu viel im Leben weggenommen hatte! Die Augen waren Wagner wie einem Zwanzigpfünder hervorgequollen, der erkennen muss, dass er den Drill verloren hat.
Die richtige Mischung zum Anfüttern der Karpfen zu kreieren, ist eine Kunst, und die beherrschte er, Hans Kleinfeld. Diesmal hatte er sein Rezept etwas abändern müssen. Kleingemahlenes Fleisch im richtigen Verhältnis zu gedämpften Kartoffeln und eingeweichtem Brot. Algenmehl und Anis. Anis machte die kräftigsten Fische verrückt. Am Schluss warf er eine Handvoll frisch geriebenen Koriandersamen zu den Zutaten in den Waschkessel. Dann stellte er den elektrischen Rührlöffel an, den hatte er selbst gebaut. Den Futterbrei füllte er in die Fünflitereimer, die die Angelbrüder die nächsten Tage abholen würden.
Um seine Pose sah er einen schwarzen Schatten nahe der Oberfläche. Ein breiter Rücken, kräftige Schwanzflosse, die den schweren Körper mit einem Schlag mühelos beschleunigen konnte. Man würde die Trophäe umtaufen müssen in »Gereon-Wagner-Gedenkpokal«.
Er lächelte. Am anderen Ufer meinte er den Ortspolizisten Hufgard zu sehen, der kleine Bällchen aus dem Futterbrei formte und sie ins Wasser warf. Ohne Leiche keine Anklage, dachte er und griff nach der Angel, ein Karpfen hatte gebissen.
In bester Gesellschaft
von N ICOLE M AHNE
Zweimal schlägt mein Kopf gegen die Kante der Heckklappe, dann ein taumelnder Tango, und wir gehen unsanft zu Boden. Glotz nicht so entsetzt! Ich kann mir auch Angenehmeres vorstellen, als gerade auf dir zu liegen. Oh, wie bezaubernd sich die kleine Kapelle im Mondlicht ausnimmt! Erinnerst du dich? An unserem Hochzeitstag hast du mich auch getragen. Damals hing mein Kopf allerdings nicht auf Höhe deines Gesäßes, das, mit Verlaub, auch schon bessere Zeiten gesehen hat. Sie hat übrigens Courage, deine Geliebte. Und Schlagkraft! Will sie dich endlich für sich allein? Mit dem Geld wäre ich euch für immer erspart geblieben, wäre abgetaucht, weit weg von dir und dieser stickigen Monotonie. Du Narr wolltest mir den plötzlichen Geldsegen wohl verheimlichen? Ein einfallsloser Schwachkopf bist du! Eine Spende, wirklich lächerlich! Was für ein entzückender Friedhof, sogar mit Ausblick auf das Maar. Eine wahrhaft exklusive Ruhestätte für die ausgemusterte Gattin! Du verfügst über Restbestände romantischen Empfindens, mein Lieber. Die Würmer hier werden mir eine amüsantere Gesellschaft sein als du.
Er trug sie vorbei an der Kapelle und dem angrenzenden Friedhof zum Ufer des Maars. Seine rechte Schulter schmerzte infolge des harten Sturzes. Als sie plötzlich auf ihm lag, steif und kalt, erfasste ihn ein beklemmendes Grauen, und er stieß die Leiche panisch von sich. Für einen Moment glaubte er, ihr spöttisches Lachen zu vernehmen. In den letzten Jahren war seine Frau unausstehlich geworden, ließ keine Gelegenheit aus, ihn zu demütigen. »Trostloses Würstchen«, schimpfte sie ihn in Anwesenheit von Freunden und Bekannten, angetrunken und lautstark. Betretenes Schweigen unter den Partygästen, während er sich bemüht gelassen gab. »Sie spielt uns in die Hände«, hatte Elisa geflüstert und ihm einen bedeutenden Blick zugeworfen, den er nicht einordnen konnte. Noch am selben Abend unterbreitete sie ihm ihre Idee. Ein einziges Telefonat würde genügen, für den tödlichen Schlag sei sie zuständig, er brauche lediglich das Geld zu besorgen. Er liebte Elisa, und ihr Bitten und Flehen ließ ihm keine Wahl. Elisa, seine gefühlvolle Elisa, zu lange hatte er ihr ein Leben im Verborgenen zugemutet. Ihr Plan ging auf. Seine Frau belauschte neugierig sein fingiertes Telefonat. Von Geld war die Rede, eine unerwartete Erbschaft, insgesamt 300.000 Euro. Er wolle es in eine Stiftung fließen lassen, sobald es auf seinem Konto verbucht sei. Mit langen, ruhigen Schlägen ruderte er bis zur Mitte des Vulkansees und ließ den Sack mit
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