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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 2
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maßgeblichen Positionen.«
    »Komm mir bloß nicht mit dieser krummen Tour. Ihr Politiker seid ohnehin alle gleich«, winkte Petrus ab und rümpfte die Nase. »Ja, ja. Du hast tatsächlich viele hohe Ämter bekleidet. Und in der Kirche warst du tatsächlich fast jeden Sonntag. Aber dort hast du nicht gebetet, sondern gegaukelt, mein Lieber. Statt den Blick auf den Heiland am Kreuze zu werfen, richtetest du deine Andacht vielmehr auf das wollüstige Hinterteil der jungen Parteifunktionärin, die vor dir in der Bank kniete.«
    Rodenstrauch-Scholtes huschte ein lüsternes Lächeln über den fischlippigen Mund: »Dorthin richtete ich meinen Blick in der Tat, und zwar nicht nur während der Gottesdienste. Und, obwohl die bei den Grünen war: Was glaubst du, Petrus, wie oft ich die gevö...«
    »Schweig stille«, befahl Petrus nun in für ihn ungewöhnlich rüdem Ton. »Oft genug habe ich es mir ansehen müssen und dabei deine liebe Frau und die süßen Kinder bedauert. Nichts hast du beherzigt, was dein guter Herr Papa dir mit auf den Weg gegeben hat.«
    Hans-Werner winkte lässig ab: »Vater hat es nicht weit gebracht. Heute würde man sagen, er war ein Loser.«
    »Schäm dich! Dein Vater war ein ebenso guter wie kluger Mann. Er hatte recht, wenn er über Politiker sagte: ›Normalerweise müsste mindestens jeder Zweite von ihnen, der Wörter wie Herz, Moral und Anstand in den Mund nimmt, auf der Stelle tot umfallen.‹ Dabei hat er dich regelrecht bekniet, auf eine politische Karriere zu verzichten und stattdessen einem anständigen Beruf nachzugehen.« Als er das sagte, hob Petrus mahnend den Zeigefinger und schaute Rodenstrauch-Scholtes tief in die blauen Augen.
    Den aber ließen der skeptische Blick und der Vorwurf in Petrus‘ Stimme kalt. Rodenstrauch-Scholtes schüttelte nur den Kopf, als wolle er von all dem nichts mehr hören. Ein paar blonde Strähnen blieben dabei an der verschwitzten Stirn kleben, die er nun in Falten legte, bevor er die Augen schloss und derart lang anhaltend durchschnaufte, dass er damit den Eindruck erweckte, er denke tatsächlich voller Reue über seine Missetaten der Vergangenheit nach.
    Doch weit gefehlt. In Wirklichkeit malte er sich die Schlagzeilen aus, die es morgen in den Zeitungen der Republik zu lesen gäbe.
Bundestagsabgeordneter hinterhältig ermordet, MdB Rodenstrauch-Scholtes fällt Auftragskiller zum Opfer, Region trauert um Hans-Werner Rodenstrauch-Scholtes
.
    Während diese Sätze wie ein Nachrichten-Ticker vor seinem geistigen Auge flimmerten, beschlich ihn ein geradezu unfassbar wohliges Gefühl, das ihm traumhaft kribbelnd bis in die Fußspitzen strömte; so wie damals, als es ihm zum ersten Mal gelungen war, einen jungen Partei-Kollegen vor dem versammelten Landesvorstand nach allen Regeln der Kunst zu denunzieren. War das herrlich! Für Hans-Werner ein Empfinden, das – nicht nur vom Kopfe her – hemmungslose politische Leidenschaft und Ekstase in ihm wachrief. Ja, es war mehr: ein politischer Orgasmus, von dessen Sorte er seinerzeit fortan nicht mehr genug bekommen konnte.
    Während Rodenstrauch-Scholtes nun die blutverschmierte Krawatte über den Kopf zog und diese einem herbeigeeilten Engel zuwarf, wanderten seine Gedanken zurück zu dem Entsetzen, welches sich schon bald im ganzen Lande breit machen würde. Denn nicht nur die Schlagzeilen, auch der Nachruf der Parteispitze würde es in sich haben, überlegte Hans-Werner, der nun auf einem weißen, plüschbezogenen Schemel Platz nahm und sich das verschwitzte Hemd aufknöpfte. »Wir trauern um unseren guten Partei-Kollegen Hans-Werner Rodenstrauch-Scholtes, MdB, der sein ganzes Engagement dem Wohl der Allgemeinheit geopfert hat. Besonders seine Charakterfestigkeit, sein humanes Gedankengut, seine Glaubwürdigkeit, Kompromissbereitschaft, Aufrichtigkeit und das hohe Maß an Toleranz werden wir in unseren Reihen sehr vermissen.« So oder so ähnlich würde es in den allgemeinen Würdigungen und Grabreden heißen, überlegte er, während seine Augen zu funkeln begannen und sich sein Blick leidenschaftlich träumend in den Wolkenritzen des Himmel-Foyers verlor; untrügliches Zeichen dafür, dass die nächste kommunale Polit-Erektion unmittelbar bevorstehen musste.
    Doch Petrus machte ihm einen Strich durch die Rechnung. »Übrigens, Herr Abgeordneter. Wir waren beim Thema Moral stehen geblieben«, rief er ihm zu.
    Rodenstrauch-Scholtes brauchte einige Sekunden, um zu gegenwärtigen, wo er sich befand, so tief

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