Berndorf, Jacques (Hrsg)
dich finde. Es wird dir gefallen. Es wird dort sehr viel fotografiert!«
Ich hatte bei meiner Planung den intellektuellen, kanadischen Künstlercharme meines Cousins nicht bedacht. Mit dem konsequenten Umsetzen des einmal gefassten Entschlusses eines gehörnten Ehemanns wiederum musste ich jetzt rechnen. So sind sie in der Eifel.
Er drückte mehrmals ab. Ich spürte nur den ersten Treffer.
Rache(n)gold
von U LRIKE B LATTER
Jupiter omnipotens,
audacibus annue coeptis
. 1
Vergil
Als die ersten zwei Auslöschungen ohne Medienecho blieben, beschloss ich das Gesamtkonzept zu überdenken.
Mea est ultio
– mein ist die Rache. Selbstverständlich musste ich mich an diesen obskuren Hobbyarchäologen rächen, die mein Vertrauen so schändlich missbraucht hatten. Hatte ich nicht gutes Geld gegeben für Kram aus illegalen Grabungen? Wahrscheinlich sahen sie in mir den Typ, der Betrüger herausfordert: ein pusseliger Freizeitgelehrter im Rentenalter, gehemmt und die Sprache mit lateinischen Phrasen untermischt. Einer, der mit wirrem Haar und in die Stirn geschobener Brille auf Flohmärkten selbstvergessen antike Funde betastet. Aber das ist nur die äußere Hülle. Was die gewöhnlichen Menschen übersehen, ist die Tatsache, dass meine Kenntnis der Antike mich schon längst von der Masse des gemeinen Pöbels abgehoben hat. Natürlich steckt eine gewisse Besessenheit dahinter, das gebe ich zu. Schon damals, als meine Schulkameraden nur das Studium der weiblichen Anatomie und sensorische Qualitäten der Moselweine im Kopf hatten, gab es für mich nichts Schöneres als Exkursionen auf dem Gebiet von
Germania inferior
, vulgo Nordeifel, quer durch eine der ältesten Kulturlandschaften Deutschlands bis hin zur damaligen Metropole
Augusta Treverorum
. Der neumodische Name Trier kommt mir bis heute nicht über die Lippen. Die Eifel galt damals kulturhistorisch als weißer Fleck und bevölkerungspolitisch als Armenhaus. Bitter klingt mir heute noch das Schimpfwort vom »Sibirien Deutschlands« im Ohr.
Auf dem Gebiet der Eifel-Archäologie war ich ein Pionier. Durch die tagelangen Wanderungen durch undurchdringliche Wälder wuchsen übrigens nicht nur Orientierungssinn und geistige Fähigkeiten, nein, auch die körperliche Ausdauer nahm in ganz erheblichem Maße zu. Ohne mich allzu sehr zu loben, bin ich auch heute noch eine ausgesprochen attraktive Erscheinung: männlich, sehnig, hochgewachsen, mit meinen markanten Gesichtszügen dem kriegerischen Schönheitsideal des antiken Roms entsprechend.
Leider fand ich nie eine Frau, die bereit war, sich meiner Leidenschaft für antike Preziosen unterzuordnen. Auch die Gründung einer Familie blieb mir versagt. So ist meine hübsche, illegale Sammlung mein einziger Lebensinhalt. Seit ich nicht mehr der Jüngste bin, kann ich ganze Tage damit zubringen, meine Schätze zu betrachten und zu katalogisieren.
Den Gedanken an einen fehlenden Erben schiebe ich erfolgreich zur Seite – noch.
Selbstredend kam es niemals zu einer öffentlichen Würdigung meiner unermüdlichen Tätigkeit. Wahrscheinlich hätte sich die öffentliche Wahrnehmung auch nur auf diskriminierende Schlagzeilen, ein Gerichtsverfahren und mehrere Jahre Haft beschränkt. Also entwickelte ich in punkto Öffentlichkeitsarbeit keinen übertriebenen Ehrgeiz. Die heimlichen Grabungen überlasse ich mittlerweile den Jungen, die, mit Metalldetektoren ausgestattet, die Wälder um den römischen Grenzwall Limes oder die uralten Siedlungsgebiete der Nordeifel durchstreifen. Leider gehen sie oft nicht mit der gebotenen Sorgfalt vor. Mir blutet das Herz, wenn diese Banausen zweitausend Jahre alte Knochen achtlos zur Seite werfen, um an Schmuck, Waffen oder Münzen heranzukommen.
Pecunia non olet
– Geld stinkt nicht, hatte ich aber gedacht, als mir im Mai sechs ausgesprochen schöne Goldsolidi aus der Zeit Konstantins angeboten wurden. Vier Grabräuber waren es. Ich kannte sie von Flohmärkten. Vor einiger Zeit hatte man sogar Visitenkarten ausgetauscht. Wahrscheinlich wussten sie nicht mehr, dass ich alle Adressen hatte, sonst hätten sie wohl nicht den Kontakt über einen Mittelsmann laufen lassen. Die Sache war heiß.
Es waren seltene Münzen mit doppeltem Goldwert, sogenannte Medaillons. Andächtig wog ich das schwere, warme Metall in den Händen. Natürlich versuchte ich den Preis zu drücken. Aber dennoch war ich gezwungen, einen Kredit über sechstausend Euro bei einem dubiosen Anbieter aufzunehmen, einer von denen, die
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