Berndorf, Jacques (Hrsg)
Damenparfüm, hinterm Sofa hatte ich einen schwarzen Seidenstrumpf mit Spitze entdeckt, und im Schrank des Gästezimmers hing außen links ein blaues, unlängst getragenes Negligé. Ich hatte mich bei Gelegenheit gründlich im Haus umgeguckt. Eine alte Angewohnheit.
»Und wie komme ich zu der Ehre deines Besuchs?«, fragte Mark.
»Tante Rita hat mir erzählt, dass du wieder in Deutschland bist. Von ihr habe ich deine Adresse. Ich war beruflich in der Nähe und dachte, ich schau mal bei meinem Cousin vorbei. Schön wohnst du hier!«
Schön, dass du wieder in Deutschland wohnst, wäre vielleicht richtiger gewesen. Das Wie und das Wo waren mir nämlich egal. Ich hatte Murks gebaut, keine Frage! Sie würden ein Exempel statuieren müssen. Und mir war klar, dass dieses Exempel die Form einer Neun-Millimeter-Kugel haben sollte, die mir jemand von hinten quer durch den Schädel jagt. Ich musste sofort von der Bildfläche verschwinden. Wie schön, dass Mark ausgerechnet jetzt eine Art Heimweh bekommen hatte.
»Du musst unbedingt über Nacht bleiben«, erklärte er. »Ich habe ein kleines, gemütliches Gästezimmer und mache uns morgen ein deftiges Frühstück. Glaub mir: Die Eifel hat eine Menge zu bieten.«
Ich dachte an das Negligé. Sicher! Demonstrativ blickte ich mit gerunzelter Stirn nach draußen in den dunklen Abend-himmel. »Das Angebot nehme ich gerne an. Ich bin, ehrlich gesagt, hundemüde.« Dabei reckte ich leise ächzend die Knochen. Ich musste ihm ja nicht auf die Nase binden, wie lange ich wirklich vorhatte zu bleiben. Das würde er früh genug merken.
Cousin Mark stand auf, öffnete einen Küchenschrank und murmelte, mir den Rücken zugewandt: »Schön. Und bevor wir uns hinlegen, gibt‘s noch einen Kräuterschnaps. Starkes Zeug, kann man prima von schlafen.«
Ich musterte seine schlanke Figur. Mark hatte sich gut gehalten. Er war siebenundvierzig, drei Jahre älter als ich, und hatte offensichtlich regelmäßig Sport getrieben. Auf seine Figur hätte man neidisch sein können. Ich nicht, denn ich war selbst mehr als sehr gut durchtrainiert.
Er drehte sich um und stellte zwei mit einer gefährlich klaren Flüssigkeit gefüllte Schnapsgläschen zwischen uns auf den Tisch. »Auf uns, Dirk. Schön, dich endlich wiederzusehen.«
»Stimmt. Gesehen habe wir uns das letzte Mal vor über zwanzig Jahren.«
»Und ist es nicht erstaunlich, wie ähnlich wir uns sehen?«
Ich nickte zustimmend: »Tante Rita hat mir immer wieder Fotos von dir gezeigt. Das hätte ich sein können. Sie hat uns schon damals, bevor du ausgewandert bist, immer verwechselt.«
»Tja, die Gene. Wir sind eben alle aus dem gleichen Stall«, grinste Mark und hob das Glas.
Das war, genau genommen, auch der Grund, warum ich meinen Cousin aufgesucht hatte. Untertauchen will nämlich gelernt sein, das ist schwieriger, als man denkt. Es reicht nicht, die Birne eine Zeitlang unter Wasser und die Luft anzuhalten. Man musste ja irgendwann wieder auftauchen. Und dann?
»Du wohnst hier sehr einsam.«
»Toronto war eine große Stadt. Ich wollte es eine Nummer kleiner.«
Okay. Sollte mir recht sein. Warum nicht jetzt gleich? Das Schnapsglas war leer, der Magen warm. Ich griff in meinen Gürtel, brachte die Knarre nach vorne und schoss ihm mitten in die Stirn. Er kippte mit dem Stuhl hintenüber.
Tot. Klar.
Sie bluten nicht sehr stark, wenn man die richtige Munition verwendet und ihnen direkt in den Kopf schießt. Das hatte ich schließlich gelernt. Leider hatte ich beim letzten Job den Falschen erschossen, was wiederum diese unplanmäßige Liquidation in eigener Sache erforderlich machte.
Ich hatte vor, die Identität meines Cousins aus Kanada anzunehmen.
Vorsichtig zog ich Mark in den Waschraum und wuchtete ihn in die Badewanne. Zurück im Wohnzimmer, schnappte ich mir einen feuchten Aufnehmer und wischte sorgfältig die wenigen, kleinen Blutspritzer vom Boden.
»Mark Müller!«
Ich hatte ihn nicht gehört, wirbelte herum. Wo kam der her? Wieso hatte Mark die Haustür nicht verriegelt? Und, verdammt, warum hielt der Typ ein Gewehr in seinen Fingern und zielte auf meinen Bauch?
»Das reicht! Ich bin euch draufgekommen! Sechzehn Jahre bin ich glücklich verheiratet, und du Schwein verdrehst ihr mit deinen verfluchten Fotoapparaten den Kopf. Nicht mit mir, nicht hier in der Eifel!«
»Das ist ein Missverständnis, ich bin nicht …«
»Es gibt ein sehr schönes Hochmoor in der Nähe. Sei sicher, dass ich ein sehr hübsches Plätzchen für
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