Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
faltete nachdenklich die Hände, entfaltete sie wieder, und dann hüllte er sich in seine Arme wie ein Revuegirl in seinen Schal. Er blickte mich sonderbar an.
«Vertraulich, natürlich», knurrte ich.
« Es geht um Juwelen», sagte er. «Sehen Sie, Herr Gunther, meine Tochter starb ohne Hinterlassung eines Testaments, und in diesem Fall geht ihr gesamter Besitz in den ihres Ehemanns über. Paul hat ein Testament hinterlassen, in dem er alles dem Reich vermacht.» Er schüttelte den Kopf. «Können Sie sich eine solche Dummheit vorstellen, Herr Gunther? Er hinterließ dem Reich alles. Alles. Man kann es kaum glauben.»
« Er war eben ein Patriot.»
Six entging die Ironie meiner Bemerkung. Er schnaubte verächtlich. «Mein lieber Herr Gunther, er war Nationalsozialist. Diese Leute glauben, daß sie die ersten wären, die das Vaterland lieben.» Er lächelte grimmig. «Ich liebe mein Land. Und niemand spendet mehr als ich. Aber ich kann den Gedanken einfach nicht ertragen daß das Reich sich auf meine Kosten noch mehr bereichert. Verstehen Sie mich? »
«Ich denke schon.»
«Nicht nur das, sondern es kommt hinzu, daß die Juwelen ihrer Mutter gehörten, so daß sie, abgesehen von ihrem wirklichen Wert, der beträchtlich ist, wie ich Ihnen sagen kann, auch einen gewissen gefühlsmäßigen Wert für mich darstellen. »
«Wieviel sind sie wert? »
Schemm regte sich, um ein paar Fakten und Zahlen zu nennen. «Ich denke, hier kann ich behilflich sein, Herr Six», sagte er, wühlte in einer Aktentasche, die zu seinen Füßen lag, zog einen lederfarbenen Aktendeckel heraus und plazierte ihn auf dem Läufer zwischen den beiden Sofas. «Ich habe hier sowohl die letzte Taxierung der Versicherung als auch ein paar Fotografien.» Er hob ein Blatt in die Höhe und las mit einem Gesichtsausdruck, als handle es sich um seine monatliche Zeitungsrechnung, die Zahl am Schluß der Seite ab: «Siebenhundertundfünfzigtausend Reichsmark.» Ich stieß unwillkürlich einen Pfiff aus. Schemm zuckte zusammen und reichte mir ein paar Fotos. Ich hatte schon größere Steine gesehen, aber bloß auf Fotos der Pyramiden. Six begann die Geschichte der Juwelen zu erzählen.
«1925 wurde der Edelsteinmarkt der Welt von Edelsteinen überflutet, die von russischen Exilanten veräußert oder von den Bolschewiken zum Verkauf angeboten wurden, die im Palast des Fürsten Jussupoff, dem Gatten der Nichte des Zaren, eine eingemauerte Schatzkammer entdeckt hatten. Im sei ben Jahr erwarb ich einige Stücke in der Schweiz: eine Brosche, ein Armband und, als kostbarstes Stück, ein in Diamanten gefaßtes Halsband, das aus zwanzig Brillanten bestand. Cartier hatte es angefertigt, und es wiegt über hundert Karat. Es versteht sich von selbst, Herr Gunther, daß es nicht einfach sein wird, ein solches Stück abzusetzen.»
«Nein, wirklich nicht.» Es mag zynisch klingen, aber der gefühlsmäßige Wert der Steine erschien mir jetzt ziemlich unbedeutend gegenüber ihrem Verkaufswert. «Erzählen Sie mir etwas über den Safe.»
«Ich habe ihn bezahlt», sagte Six. «Genauso wie das Haus. Paul hatte nicht viel Geld. Als Gretes Mutter starb, gab ich ihr die Juwelen, und zur sei ben Zeit ließ ich den Safe einbauen, damit sie sie aufbewahren konnte, wenn sie nicht im Tresor der Bank waren.»
«Sie hat sie also noch vor kurzem getragen?»
«Ja. Sie begleitete mich und meine Frau zu einem Ball,
bloß ein paar Abende vor ihrem Tod.» «Was war das für ein Safe? »
«Ein Stockinger-Wandsafe. Kombinationsschloß. » « Und wer kannte die Kombination? »
«Meine Tochter und Paul natürlich. Sie hatten keine Geheimnisse voreinander, und ich glaube, daß er dort gewisse Papiere aufbewahrte, die mit seiner Arbeit zu tun hatten.»
« Sonst niemand? »
«Nein. Nicht einmal ich.»
«Wissen Sie, wie der Safe geöffnet wurde? Wurde Spreng-
stoff benutzt? »
«Ich glaube, es wurde kein Sprengstoff benutzt.» «Also ein Schränker.»
«Was ist das? »
«Ein professioneller Safeknacker. Und ich sage Ihnen, es muß ein sehr guter Mann gewesen sein, der das ausgeknobelt hat.» Six beugte sich vor. «Vielleicht», sagte er, «zwang der Dieb Paul und Grete, den Safe zu öffnen, und schickte sie dann wieder ins Bett, wo er beide erschoß. Und anschließend steckte er das Haus in Brand, um seine Spuren zu verwischen und die Polizei auf eine falsche Spur zu locken.»
«Ja, das ist möglich», stimmte ich zu. Ich rieb einen vollkommen runden Fleck glatter Haut in meinem
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