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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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meinem Wagen nach Hause zu fahren.
    «Es liegt auf meinem Weg», sagte ich.
    « Ich möchte Ihnen keine Umstände machen.»
    « Es macht mir überhaupt nichts aus», versicherte ich. «Nun, wenn Sie meinen. Das wäre sehr freundlich von Ihnen. Ich war ein bißchen durcheinander.» Sie nahm die Schachtel auf, die zu ihren Füßen lag, von denen jeder, wie ein Metzgerdaumen aus einem Fingerhut, über den Rand des glänzend polierten schwarzen Halbstiefels quoll. Sie hieß Schmidt.
    «Sie haben ein gutes Herz, Herr Gunther», sagte Wilhelm.
    «Unsinn », erwiderte ich, und das stimmte. Es ließ sich nicht sagen, welche Information über ihre früheren Arbeitgeber ich aus der alten Frau würde herauskitzeln können. Ich nahm ihr die Schachtel ab. «Lassen Sie mich die nehmen», sagte ich. Es war eine Schachtel von Stechbarth, dem offiziellen Ausstatter der Wehrmacht, und ich hatte so eine Idee, daß sie vielleicht für die Pfarrs bestimmt war. Ich nickte Wilhelm wortlos zu und ging voran zum Wagen.
    «Neuenburger Straße», wiederholte ich, als wir abfuhren. «Die biegt von der Lindenstraße ab, nicht wahr?» Sie nickte, sagte mir, welche Richtung ich einschlagen mußte, und war für eine Weile still. Dann fing sie wieder an zu weinen.
    «Was für eine schreckliche Tragödie», schluchzte sie. «Ja, ja, es ist ein Unglück.»
    Ich fragte mich, wieviel Wilhelm ihr erzählt hatte. Je weniger, desto besser, dachte ich, denn, so folgerte ich, je weniger geschockt sie war, zumindest in diesem Stadium, desto mehr würde ich aus ihr rauskriegen.
    « Sind Sie Polizist?» fragte sie.
    «Ich untersuche den Brand», sagte ich ausweichend. «Ich bin sicher, daß Sie viel zu beschäftigt sind, um eine alte Frau wie mich durch Berlin zu kutschieren. Warum setzen Sie mich nicht auf der anderen Seite der Brücke ab, und ich gehe das letzte Stück zu Fuß? Es geht mir wieder gut, wirklich.»
    «Es macht mir nichts aus. Ich wollte sowieso mit Ihnen über die Pfarrs sprechen - das heißt, wenn es Sie nicht zu sehr aufregt.» Wir überquerten den Landwehrkanal und kamen zum Belle-Alliance-Platz mit der großen Friedenssäule. «Sehen Sie, es wird eine Untersuchung stattfinden, und es würde mir helfen, wenn ich soviel wie möglich über sie wüßte.»
    «Ja, also ich habe nichts dagegen, wenn Sie glauben, daß ich von Nutzen sein kann », sagte sie.
    Als wir die Neuenburger Straße erreichten, parkte ich den Wagen und folgte der alten Frau in die zweite Etage eines mehrere Stockwerke hohen Mietshauses.
    Frau Schmidts Wohnung war typisch für die ältere Generation in Berlin. Die Möbel waren gediegen und sorgfältig gearbeitet - Berliner geben für ihre Tische und Stühle eine Menge Geld aus -, und im Wohnzimmer war ein großer Kachelofen. Der vergilbte Druck einer Dürer-Zeichnung, die in Berliner Wohnungen so häufig anzutreffen ist wie ein Aquarium im Wartezimmer von Ärzten, hing über einer dunkelroten Biedermeierkredenz, auf der verschiedene Fotos standen (darunter auch ein Bild unseres geliebten Führers) sowie ein kleines silbernes Hakenkreuz in einem großen Bronzerahmen. Auch ein Tablett mit Flaschen war da, von dem ich eine Flasche Schnaps nahm und ihr ein kleines Glas einschenkte.
    «Es wird Ihnen bessergehen, wenn Sie das getrunken haben ", sagte ich, reichte ihr das Glas und überlegte, ob ich es wagen konnte, mir, ohne zu fragen, ebenfalls ein Glas einzuschenken. Neidisch sah ich zu, wie sie den Schnaps in einem Zug hinunterkippte. Sie leckte sich die dicken Lippen und nahm am Fenster in einem mit Brokat bezogenen Sessel Platz.

    « Fühlen Sie sich dazu in der Lage, ein paar Fragen zu beantworten? »
    Sie nickte. «Was wollen Sie wissen? »
    «Nun, fangen wir damit an, wie lange Sie Herrn und Frau Pfarr kannten.»
    «Hm, da muß ich nachdenken.» Auf dem Gesicht der Frau malte sich Unsicherheit, als spiele sie in einem Stummfilm. Die Stimme floß langsam aus dem Boris-Karloff-Mund mit seinen ein wenig vorstehenden Zähnen wie Sand aus einem Eimer. «Es muß ein Jahr sein, schätze ich.» Sie stand wieder auf und zog ihren Mantel aus, unter dem ein schmuddeliger Kittel mit Blumenmuster zum Vorschein kam. Darauf hustete sie ein paarmal und schlug sich dabei auf die Brust.
    Die ganze Zeit stand ich unbeweglich in der Mitte des Zimmers, den Hut im Genick, die Hände in den Taschen. Ich fragte sie, was für ein Ehepaar die Pfarrs gewesen seien. «Ich meine, waren sie glücklich? Streitlustig?» Sie nickte zustimmend. Beides

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