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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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lebhaft wie die eichenen Sargbretter in einer Leichenhalle.
    Es war einer dieser kleinen Läden, der eines Pfandleihers, den ich betrat, ohne von dem großen Davidstern Notiz zu nehmen, der auf die hölzernen Rolläden geschmiert war, die das Ladenfenster davor schützten, zertrümmert zu werden. Eine Glocke läutete, als ich die Tür öffnete und schloß. Zweifach des Tageslichtes beraubt, war der Raum bloß von einer Petroleumlampe erhellt, die von der niedrigen Decke hing, so daß man sich vorkam wie im Rumpf eines alten Segelschiffes. Ich stöberte herum und wartete darauf, daß Weizmann, der Besitzer, aus dem Hintergrund auftauchen würde.
    Da gab es eine alte Pickelhaube, ein ausgestopftes Murmeltier in einem Glaskasten, das aussah, als sei es an Milzbrand verreckt, und einen alten Siemens-Staubsauger; da waren zahlreiche Kästen voller militärischer Orden - meistens Eiserne Kreuze zweiter Klasse, wie das meine -, mehr als zwanzig Nummern von Köhlers Flotten-Kalender, in denen Schiffe verzeichnet waren, die längst gesunken oder abgewrackt waren, ein Blaupunkt-Radio, eine angestoßene Büste von Bismarck und eine alte Leica. Ich betrachtete die Orden, als der Geruch von Tabak und Weizmanns vertrautes Husten mir zeigten, daß er gleich erscheinen würde.
    «Sie sollten auf sich achtgeben, Weizmann.»
    « Und was finge ich mit meinem langen Leben an? » Wenn Weizmann sprach, war die Drohung seines asthmatischen Hustens immer gegenwärtig. Der Husten lag auf der Lauer, um ihn plötzlich zu überfallen. Manchmal gelang es ihm, ihn zu unterdrücken; aber diesmal überkam ihn ein Hustenkrampf, der sich kaum noch menschlich anhörte, mehr wie ein Versuch, ein Auto mit einer fast leeren Batterie zu starten, und wie üblich schien ihm der Husten keinerlei Erleichterung zu verschafien. Er machte es auch nicht erforderlich, daß Weizmann die Pfeife aus dem Mund nahm, der wie ein Tabaksbeutel aussah.
    «Sie sollten versuchen, hin und wieder ein bißchen Luft in Ihre Lungen zu lassen», sagte ich zu ihm, «oder zumindest etwas, das Sie nicht vorher in Brand gesetzt haben.»

    « Luft», sagte er. « Die steigt mir gleich in den Kopf. Ich übe mich jedenfalls darin, ohne Luft auszukommen: Wer kann sagen, wann sie den Juden verbieten werden, Sauerstoff einzuatmen.» Er hob die Klappe des Tresens an. « Kommen Sie ins Hinterzimmer, mein Freund, und sagen Sie mir, welchen Dienst ich Ihnen erweisen kann.» Ich folgte ihm hinter den Tresen, vorbei an einem leeren Bücherregal.
    « Gehen die Geschäfte besser?» fragte ich. Er drehte sich um. «Was soll ich mit all den Büchern?» Weizmann schüttelte traurig den Kopf.
    « Unglücklicherweise mußte ich sie wegräumen. Die Nürnberger Gesetze» - sagte er mit einem spöttischen Lächeln - « verbieten einem Juden, Bücher zu verkaufen. Sogar antiquarische.» Er drehte sich um und ging weiter ins Hinterzimmer. « In diesen Zeiten glaube ich an Recht und Gesetz, wie ich daran glaube, daß Horst Wessei ein Held war.»
    « Horst WesseI ?» fragte ich. « Nie von ihm gehört.» Weizmann lächelte und deutete mit dem Stiel seiner stinkenden Pfeife auf ein altes Jacquardsofa. « Setzen Sie sich, Bernie. Ich werde uns einen einschenken.»
    « Nun, was wollen Sie? Sie lassen Juden immer noch Fusel trinken. Sie taten mir vorhin fast leid, als Sie mir da hinten von den Büchern erzählten. Die Dinge sind nie so schlecht, wie sie scheinen, solange noch ein Schluck in Reichweite ist.»
    « Das ist die Wahrheit, mein Freund.» Er öffnete ein Eckschränkchen, nahm die Schnapsflasche und füllte die Gläser sorgfältig, aber großzügig. Als er mir das Glas reichte, sagte er: « Ich werde Ihnen was sagen. Wenn's nicht so viele Leute geben würde, die trinken, wäre dieses Land wirklich in einem höllischen Zustand.» Er hob sein Glas. «Trinken wir auf mehr Trunkenbolde und die Enttäuschung über ein perfekt organisiertes Nazideutschland. »
    «Auf mehr Trunkenbolde», sagte ich und sah zu, wie er, beinahe zu dankbar, trank. Er hatte ein pfiffiges Gesicht, um den Mund mit dem Pfeifenstiel ein sarkastisches Lächeln. Eine große, fleischige Nase trennte Augen, die ein wenig zu dicht zusammenstanden, und er trug eine dicke, rand lose Brille. Das noch immer dunkle Haar war aus der hohen Stirn akkurat nach rechts gekämmt. In seinem tadellos gebügelten blauen Nadelstreifenanzug sah Weizmann beinahe so aus wie Ernst Lubitsch. Er setzte sich auf ein altes Rollpult und drehte sich zur Seite, um

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