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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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stehen und sog die Luft ein. In der überdachten Vorhalle stand jemand und rauchte eine Ziga rette.

    Nach einer Zeit, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, hörte ich die Schritte des Mannes auf dem Kies knirschen, und rasch um die Ecke lugend, erkannte ich die unverwechsel bare Gestalt des Letten, der den Pfad hinunter zum geöff neten Tor schlenderte, wo, in Richtung auf die Straße, ein großer grauer BMW parkte. Ich ging auf den Rasen des Vor gartens zu, vermied das Licht vom Haus und folgte ihm, bis er zum Wagen kam. Er öffnete den Kofferraum und begann darin herumzukramen, als suche er nach etwas. Als er ihn wieder schloß, lagen noch weniger als fünf Meter zwischen uns. Er drehte sich um und erstarrte, als er die Walther sah, die auf seinen mißgestalteten Schädel gerichtet war.
    «Steck den Zündschlüssel ins Schloß», sagte ich leise.
    Als er sah, daß ich entkommen war, wurde das Gesicht des Letten noch häßlicher. «Wie du rausgekommen ? » zischte er.
    «Es war ein Schlüssel im Strudel versteckt», sagte ich und deutete mit dem Revolverlauf auf die Wagenschlüssel in sei ner Hand. «Den Zündschlüssel», wiederholte ich. «Mach schon. Aber langsam.»
    Er trat zurück und öffnete die Fahrertür. Dann beugte er sich hinein, und ich hörte das Klirren von Schlüsseln, als er einen davon in das Zündschloß steckte. Sich wieder aufrich tend, stellte er seinen Fuß beinahe sorglos auf das Trittbrett, lehnte sich auf das Wagendach und verzog sein Gesicht zu einem Grinsen, das in Um riß und Farbe einem verrosteten Wasserhahn ähnelte.
    «Willst du, daß ich ihn wasche, bevor zu fährst? » «Diesmal nicht, Frankenstein. Ich möchte, daß du mir die Schlüssel für die hergibst.» Ich zeigte auf meine Handschel len.
    «Schlüssel für was? » «Schlüssel für Handschellen.»
    Er zuckte die Achseln und grinste weiter. «Ich keine Schlüssel für keine Handschellen. Wenn du nicht glaubst, filz mich, dann weißt du.»

    Ich zuckte beinahe zusammen, als ich ihn sprechen hörte.
    Mochte er meinetwegen Lette und weich in der Birne sein, aber von deutscher Grammatik hatte Rainis keinen Schimmer. Er dachte vermutlich, eine Konjunktion sei eine Zigeunerin, die an einer Straßenecke die Leute beim Kümmelblättchen reinlegte.
    « Natürlich hast du Schlüssel, Rainis. Du hast mich doch gefesselt, weißt du nicht mehr? Ich habe gesehen, wie du sie in deine Westentasche gesteckt hast.»
    Er blieb stumm. Ich bekam allmählich Lust, ihn umzule gen.
    «Hör zu, du blödes lettisches Arschloch. Wenn ich noch mal sage , dann suchst du besser nicht nach einem Springseil. Dies ist eine Kanone, keine verdammte Haarbür ste.» Ich trat einen Schritt vor und zischte durch die zusam mengebissenen Zähne: «Entweder du findest sie jetzt, oder ich blase dir ein Loch in deine häßliche Visage, für das man keinen Schlüssel braucht.» Rainis spielte ein bißchen Thea ter, klopfte sich auf die Taschen, und dann zog er aus seiner Westentasche einen kleinen silbrigen Schlüssel.
    «Auf den Fahrersitz damit und dann weg vom Wagen.» Jetzt, da er dichter bei mir stand, konnte Rainis von mei nem Gesicht ablesen, daß ich eine Mordswut im Bauch hatte. Dieses Mal zögerte er nicht, zu gehorchen, und warf den klei nen Schlüssel auf den Sitz. Doch wenn ich ihn für blöde oder für urplötzlich gefügig gehalten hatte, war ich im Irrtum.
    Vermutlich lag es an meiner Erschöpfung.
    Er deutete auf einen der Reifen. «Wär vielleicht besser, wenn ich platten Reifen in Ordnung bringe», sagte er.
    Ich blickte nach unten und dann rasch wieder auf, als der Lette wie ein wilder Tiger auf mich lossprintete und mit sei nen großen Händen nach meinem Hals griff. Eine halbe Se kunde später drückte ich ab. Die Walther transportierte und beförderte schneller, als ich blinzeln konnte, eine neue Pa trone in die Kammer. Ich drückte noch einmal ab. Die

    Schüsse hallten durch den Garten und zum Himmel hinauf, als hätte der Doppelknall die Seele des Letten zum letzten Gericht emporgetragen. Ich hatte keinen Zweifel, daß sie ziemlich rasch wieder abwärts und unter die Erde fahren würde. Sein mächtiger Körper krachte mit dem Gesicht zu erst auf den Kies und rührte sich nicht mehr.
    Ich rannte zum Wagen, sprang hinters Steuer, ohne auf den Schlüssel für die Handschellen unter meinem Hintern zu ach ten. Ich drehte den Zündschlüssel um, und der große Wagen, der ganz neu roch, sprang dröhnend an. Hinter mir hörte ich Rufe. Ich nahm

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