Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
gemacht.»
«Gut, aber jetzt geht es um seinen Hals. Ich brauche Sie wohl nicht daran zu erinnern, daß dies ein Kapitalverbre chen ist.»
«Sie können mich daran erinnern, sooft Sie es für ange bracht halten, Dr. Liebl. Sagen Sie mir, wer ist der Eigentü mer des Ateliers? »
«Drittemann Film-Studio-GmbH. Wenigstens war das der Name der Firma im Mietvertrag. Doch niemand scheint sich daran zu erinnern, daß dort je ein Film gedreht wurde. Als die Polizei das Atelier durchsuchte, fand sie gerade mal einen alten Scheinwerfer.»
«Könnte ich mich dort mal umsehen? »
«Ich werde sehen, ob ich das einrichten kann. Also, falls Sie noch weitere Fragen haben, Herr Gunther, schlage ich
vor, daß Sie bis morgen früh damit warten, wenn wir Herrn Becker treffen. Außerdem wäre da noch die eine oder andere Vereinbarung, die wir zum Abschluß bringen müssen, wie der Restbetrag Ihres Honorars und Ihre Unkosten. Bitte ent schuldigen Sie mich einen Moment, während ich das Geld aus dem Safe hole.»
Liebls Kanzlei in der Judengasse lag im ersten Stock über einem Schusterladen. Als er ins Zimmer zurückkam, zwei Bündel Banknoten in der Hand, stand ich am Fenster.
« Zweitausendfünfhundert amerikanische Dollar in bar, wie vereinbart», sagte er kühl, «und eintausend österreichi sche Schilling, um Ihre Unkosten zu decken. Jede weitere Zahlung muß von Fräulein Braunsteiner genehmigt werden sie ist Herrn Beckers Freundin. Die Kosten für Ihre Unter bringung werden von dieser Kanzlei getragen.» Er reichte mir einen Füller. «Wollen Sie bitte diese Quittung unter schreiben? »
Ich überflog das Schreiben und seufzte. « Ich würde sie gern kennenlernen », sagte ich. « Ich möchte alle Freunde Beckers kennenlernen. »
« Meine Anweisungen lauten, daß sie Sie morgen in Ihrer Pension aufsuchen wird.»
Ich steckte das Geld ein und kehrte zum Fenster zurück.
« Ich verlasse mich darauf, daß ich mich, sollte die Polizei Sie mit all diesen Dollars schnappen, auf Ihre Diskretion ver lassen kann. Es gibt Devisenbeschränkungen, die ... »
« Ich werde Ihren Namen rauslassen, keine Sorge. Dabei fällt mir ein, was sollte mich davon abhalten, das Geld zu kassieren und zurückzufahren? »
« Sie wiederholen lediglich, was ich Herrn Becker zu be denken gab. Erstens, sagte er, seien Sie ein ehrbarer Mann, und wenn man Sie für einen Job bezahlt habe, würden Sie ihn tun. Sie seien nicht der Typ, ihn hängenzulassen. In diesem Punkt war er ziemlich starrköpfig.»
« Ich bin gerührt», antwortete ich. « Und zweitens? »
«Kann ich offen sprechen? » «Warum jetzt damit aufhören? »
«Also gut. Herr Becker ist einer der schlimmsten Schieber in Wien. Ungeachtet seiner gegenwärtigen Zwangslage, ist er nicht ohne Einfluß in gewissen, sagen wir, anrüchigen Krei sen dieser Stadt.» Sein Gesicht sah gequält aus. «Es wider strebt mir, mehr zu sagen, denn ich fürchte, Sie könnten mich für einen ganz gewöhnlichen Gangster halten.»
«Das war freimütig genug, Dr. Liebl. Danke.»
Er kam zum Fenster herüber. «Was gibt es dort zu sehen? » «Ich glaube, man ist mir gefolgt. Sehen Sie diesen Mann
dort? »
«Der Mann, der Zeitung liest? »
«Ich bin sicher, daß ich ihn auf dem Bahnhof gesehen habe.»
Liebl nahm seine Brille aus der Brusttasche und bog ihre Bügel um seine pelzigen alten Ohren. «Sieht nicht aus wie ein Österreicher», verkündete er schließlich. «Was für eine Zei tung liest er ? »
Ich spähte kurz hinunter. «Den Wien er Kurier.»
«Hm. Jedenfalls kein Kommunist. Er ist vermutlich Ame rikaner, ein Außenagent der Ermittlungsabteilung der Mili tärpolizei.»
«In Zivil? »
«Ich glaube, sie brauchen keine Uniform mehr zu tragen.
Wenigstens in Wien.» Er nahm seine Brille ab und wandte sich ab. «Ich würde sagen, bloße Routine. Sie werden alles über jeden Freund von Herrn Becker wissen wollen. Sie soll ten damit rechnen, irgendwann einmal verhaftet und befragt zu werden.»
«Danke für die Warnung.» Ich wollte mich vom Fenster lösen, aber meine Hand blieb noch auf dem großen Fenster laden mit seiner solide aussehenden Querstange liegen. «Die wußten schon, wie man diese alten Häuser baut, nicht wahr? Das Ding sieht aus, als sollte es eine Armee abhalten.»
«Keine Armee, Herr Gunther, den Pöbel. Hier war einmal das Herz des Ghettos. Im fünfzehnten Jahrhundert, als dieses Haus gebaut wurde, mußten sie auf gelegentliche Pogrome vorbereitet sein. Es verändert sich nicht
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