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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Füßen. «Ich habe gleich zwei mitgebracht. Sie haben den ganzen Tag vor dem Fenster des Krankenhauses gehan gen, darum ist der Wodka hübsch kalt. Anders mag ich ihn nicht.»
    Wir pro steten uns zu und tranken, und sie hatte ihr Glas rascher auf die Tischplatte zurückgestellt als ich.
    «Ich hoffe, Ihnen fehlt nichts? Sie sagten etwas von einem Krankenhaus? »
    «Ich bin Schwester im Allgemeinen Krankenhaus. Sie kön nen es sehen, wenn Sie die Straße raufgehen. Das ist zum Teil der Grund, warum ich Sie hier untergebracht habe - weil es so nahe ist. Aber auch, weil ich die Besitzerin kenne, Frau Blum-Weiss. Sie war eine Freundin meiner Mutter. Außer dem dachte ich, daß Sie gern in der Nähe des Rings und des Ortes wohnen würden, wo der amerikanische Captain er schossen wurde. Das ist in der Dettergasse, auf der anderen Seite von Wiens äußerem Ring, dem Gürte!.»
    «Diese Unterkunft gefällt mir ungemein. Um ehrlich zu sein, sie ist weitaus komfortabler als das, woran ich zu Hause in Berlin gewöhnt bin. Dort ist das Leben ziemlich hart.» Ich füllte die Gläser nach. «Wieviel wissen Sie genau über das, was passiert ist? »
    « Ich weiß alles, was Doktor Liebl Ihnen erzählt hat; und alles, was Emil Ihnen morgen erzählen wird.»
    Traudl Braunsteiner lächelte zaghaft und gab ein kleines Kichern von sich.
    « Über Emils Geschäfte gibt es ebenfalls nicht viel, was ich nicht weiß.» Sie bemerkte, daß ein Knopf an einem Faden von ihrem zerknitterten Regenmantel herunterhing, riß ihn ab und steckte ihn in die Tasche. Sie war wie ein feines Spit zentaschentuch, das gewaschen werden mußte.
    « Ich schätze, weil ich Krankenschwester bin, sehe ich sol che Dinge ziemlich locker: den schwarzen Markt. Ich habe selber ein paar Drogen geklaut, das gebe ich ohne weiteres zu. Im Grunde tun das alle Mädchen, früher oder später. Für manche ist es eine einfache Entscheidung: Verkauf dich oder deinen Körper. Ich denke, wir können von Glück sagen, daß wir was anderes zu verkaufen haben.» Sie zuckte die Achseln und schluckte ihren zweiten Wodka. «Menschen leiden und sterben zu sehen, bringt keinen sehr nachhaltigen Respekt vor Recht und Ordnung hervor.» Sie lachte entschuldigend. « Geld hat keinen Wert, wenn man nicht in der Lage ist, es auszugeben. Gott, wie schwer reich ist die Familie Krupp? Vermutlich Billionen. Aber sie hat eines ihrer Mitglieder hier in Wien in eine Irrenanstalt gesteckt.»
    « Schon gut», sagte ich. « Ich habe Sie nicht gefragt, damit Sie das alles rechtfertigen sollen.»
    Aber sie versuchte offensichtlich, sich selber zu rechtferti gen. Traudl zog ihre Beine unter ihr Hinterteil. Sie saß unbe kümmert im Lehnsessel und schien sich wenig daraus zu ma chen, daß ich ihre Strumpfbänder, den Strumpfgürtel und den Rand ihrer glatten weißen Schenkel sehen konnte.
    « Was soll man machen?» sagte sie und biß an ihren Fingernägeln. «Hin und wieder muß jeder in Wien etwas kau fen, was aus dem Resselpark stammt.» Sie erklärte mir, das sei das Zentrum des Schwarzhandels der Stadt.
    «In Berlin ist es das Brandenburger Tor», sagte ich. «Und vor dem Reichstag.»
    «Wie komisch», gluckste sie schelmisch. <    «Weil Sie ein Parlament haben. Hier überwachen die Alli ierten bloß. Aber in Deutschland regieren sie wirklich.» Mein Einblick in ihre Unterwäsche schwand jetzt, als sie den Saum ihres Rockes herunterzog.
    «Das wußte ich nicht. Nicht, daß es eine Rolle spielen würde. In Wien würde es trotzdem einen Skandal geben, ob Parlament oder nicht. Österreicher sind echte Heuchler. Man möchte meinen, daß sie mit solchen Dingen leichter umgehen könnten. Einen schwarzen Markt hat es hier seit den Habs burgern gegeben. Damals waren es natürlich keine Zigaret ten, sondern Privilegien, Patronagen. Persönliche Kontakte zählen noch immer viel.»
    «Da wir gerade davon sprechen, wie haben Sie Becker kennengelernt ? »
    «Er beschaffte ein paar Papiere für eine Freundin, eine Krankenschwester. Und wir stahlen für ihn Penicillin. Das war, als es noch was von dem Zeug gab. Kurz nach dem Tod meiner Mutter.» Ihre hellen Augen weiteten sich, als bemühe sie sich, etwas zu begreifen. «Sie warf sich vor eine Straßen bahn.» Sie zwang sich zu einem Lächeln, lachte gekünstelt und schaffte es, ihre Gefühle zu unterdrücken. «Meine Mut ter war eine sehr wienerische Variante einer Österreicherin.

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