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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Wissen Sie, wir begehen immer Selbstmord. Das gehört zu unserer Lebensart. Emil war jedenfalls sehr freundlich und ein großer Spaßmacher. Er vertrieb meinen Kummer, wirk lich. Ich habe sonst keine Familie, wissen Sie. Mein Vater wurde bei einem Luftangriff getötet. Und mein Bruder starb im Kampf gegen Partisanen in Jugoslawien. Ich weiß wirk lich nicht, was ohne Emil aus mir geworden wäre. Wenn ihm jetzt etwas zustoßen würde ... " TraudIs Mund verhärtete sich, als sie sich das Schicksal ausmalte, das ihrem Liebsten aller Wahrscheinlichkeit nach bevorzustehen schien. « Sie werden für ihn tun, was Sie können, nicht wahr? Emil sagte, Sie seien die einzige Person, der er zutraue, etwas herauszu finden, was ihm vielleicht eine kleine Chance geben könnte.»
    « Ich werde für ihn tun, was ich kann, Traudl, Sie haben mein Wort darauf.» Ich zündete zwei Zigaretten an und reichte ihr eine. « Es interessiert Sie vielleicht, zu erfahren, daß ich normalerweise meine eigene Mutter für schuldig er klären würde, wenn sie mit einer Waffe in der Hand neben einer Leiche stünde. Aber wie die Dinge nun mal liegen, glaube ich an Beckers Geschichte, und sei's nur deshalb, weil sie so überzeugend schlecht ist. Zumindest bis ich sie von ihm gehört habe. Das mag Sie nicht allzusehr überraschen, aber sie beeindruckt mich todsicher.
    Schauen Sie sich bloß meine Fingerspitzen an. Es mangelt ihnen ein wenig an heiliger Ausstrahlung. Und der Hut dort auf der Anrichte? Ich trage ihn nicht, um herumzustolzieren. Wenn ich ihn also aus dieser verdammten Zelle rausführen soll, wird Ihr Freund mir ein Garnknäuel herzaubern müs sen. Morgen früh sollte er besser etwas zu seinen Gunsten zu sagen haben, sonst wird es diese ganze Vorstellung nicht wert sein, daß man sich dafür schminkt.»
    12
    Am schrecklichsten wird man vom Gesetz durch das be straft, was sich in der eigenen Vorstellung abspielt: die Aus sicht auf die eigene, gerichtlich verfügte Tötung ist Nahrung für Gedanken der einfallsreichsten masochistischen Art.

    Bringt man einen Mann vor Gericht, wo ihm die Todesstrafe droht, füllt man seinen Kopf mit Gedanken, die grausamer sind als jede erdenkliche Bestrafung. Und natürlicherweise fordert die Vorstellung, wie es sein muß, metertief durch eine Klapptür zu fallen, um kurz über dem Boden von einem Seil aufgefangen zu werden, das am Hals befestigt ist, ihren Tribut von einem Mann. Er stellt fest, daß ihm das Schlafen schwerfällt, er verliert den Appetit, und es ist nicht unge wöhnlich, daß sein Herz unter dem Gewicht dessen, was seine Einbildung ihm aufgebürdet hat, zu leiden beginnt. Selbst der gleichgültigste, phantasieloseste Geist braucht bloß den Kopf auf den Schultern zu drehen und auf das knir schende Geräusch seiner Rückenwirbel zu lauschen, um in der Magengrube das furchtbare Entsetzen des Hängens zu verspüren.
    So war ich denn nicht überrascht, in Becker ein schwaches, verkümmertes Abbild des Mannes vorzufinden, der er ein mal gewesen war. Wir trafen uns in einem kleinen, karg mö blierten Vernehmungsraum des Gefängnisses auf der Ros sauer Lände. Als er den Raum betrat, schüttelte er mir stumm die Hand, bevor er sich umdrehte und an den Wärter wandte, der sich an der Tür aufgebaut hatte.
    «He, Pepi», sagte er heiter, «was dagegen?» Er griff in seine Hemdtasche und zog ein Päckchen Zigaretten heraus, das er durch den Raum warf. Der Wärter namens Pepi schnappte es mit den Fingerspitzen und prüfte die Marke.
    «Rauch mal eine vor der Tür, in Ordnung?» «Klar», sagte Pepi und verschwand.
    Becker nickte zufrieden, als wir drei an dem Tisch Platz nahmen, der an die gelb geflieste Wand angeschraubt war.
    «Keine Sorge», sagte er zu Doktor Lieb!. «Hier kann man alle Wärter kaufen. Es ist hier viel besser als in der Stiftska serne. Das kann ich euch sagen. Keiner dieser verdammten Amis ließ sich schmieren. Es gibt nichts, was sie sich nicht selber besorgen können.»

    «Sie müssen es ja wissen », sagte ich und holte meine Zi garetten heraus. Liebl schüttelte den Kopf, als ich ihm eine anbot. «Diese hier kommen von Ihrem Freund Poroschin», sagte ich, als Becker sich eine aus der Packung nahm.
    «Prächtiger Kerl, nicht wahr? » <    Becker gab uns Feuer und blies eine Rauchwolke über meine Schulter. «Sie haben mit Ella gesprochen?» fragte er, aber er klang nicht überrascht.
    «Abgesehen von den fünftausend, ist sie der einzige Grund,

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