Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
Fahrt von Berlin nach Wien dauert lange, so daß ich viel Zeit hatte, über die Untreue meiner Frau nachzudenken. Also war es mir nur recht, da ich dank Poroschins Hilfe eine Fahrkarte für die direkte Verbindung hatte - neunzehn und eine halbe Stunde über Dresden, Prag und Brünn - im Ge gensatz zur Route, die über Leipzig und Nürnberg führte und siebenundzwanzig und eine halbe Stunde dauerte. Mit kreischenden Rädern fuhr der Zug langsam in den Franz-jo sefs-Bahnhof ein und hüllte die wenigen Leute auf dem Bahnsteig in Rauchschwaden. An der Sperre zeigte ich einem amerikanischen MP meine Papiere, und nachdem ich ihm meinen Aufenthalt in Wien zufriedenstellend erklärt hatte, ging ich in die Bahnhofshalle, wo ich meine Reisetasche fal len ließ. Ich blickte mich um, ob ich von irgendeiner Person aus den wartenden Grüppchen erwartet und damit meine Ankunft gutgeheißen wurde. Als sich ein mittelgroßer, grau haariger Mann näherte, zeigte sich, daß die erste meiner Überlegungen stimmte, daß die zweite auf Eitelkeit beruhte. Er teilte mir mit, er sei Dr. Liebl und habe die Ehre, als Emil Beckers Rechtsvertreter zu fungieren.
    «Ich habe draußen ein Taxi», sagte er und warf einen un sicheren Blick auf mein Gepäck. «Trotzdem, zu meiner Kanzlei ist es nicht sehr weit, und hätten Sie eine kleinere Ta sche, hätten wir zu Fuß hingehen können.»
    «Ich weiß, es klingt pessimistisch», sagte ich, «aber ich
    hatte eigentlich gedacht, ich würde über Nacht bleiben.» Ich folgte ihm durch die Bahnhofshalle.
    «Ich hoffe, Sie hatten eine gute Reise, Herr Gunther.» «Ich bin hier, oder?» sagte ich und rang mir eine Art liebenswürdigen Grinsens ab. «Wie sonst sollte man in diesen Zeiten eine gute Reise definieren? »
    «Ich könnte es nicht sagen», erwiderte er kurz. «Was mich betrifft, ich verlasse Wien nie.» Er scheuchte mit der Hand ein paar zerlumpte DPs weg, die vor dem Bahnhof kampiert zu haben schienen. «Heutzutage, wo die ganze Welt auf einer Art Reise ist, scheint es vermessen, von Gott zu erwarten, daß er auf einen Reisenden aufpaßt, der sich lediglich wünscht, dahin zurückzukehren, von wo er gekommen ist.»
    Er schob mich zu einem Taxi; ich reichte meine Tasche dem Fahrer und zwängte mich auf den Rücksitz, nur um fest zustellen, daß die Tasche mir wieder folgte.
    «Gepäck im Kofferraum zu befördern kostet eine zusätz liche Gebühr», erklärt Liebl und schob mir die Tasche auf den Schoß. «Wie ich sagte, es ist nicht sehr weit, und Taxis sind teuer. Solange Sie hier sind, empfehle ich Ihnen, die Stra ßenbahn zu benutzen - es ist eine sehr nützliche Einrich tung.» Der Wagen fuhr mit einer solchen Geschwindigkeit, daß die nächste Ecke uns gegeneinanderquetschte wie ein Liebespaar im Kino. Liebl gluckste. «Außerdem ist es viel si cherer, denn die Wiener Taxifahrer sind nun mal, wie sie sind.»
    Ich deutete nach links. «Ist das die Donau? »
    «Guter Gott, nein. Das ist der Kanal. Die Donau liegt im russischen Sektor, weiter östlich.» Er zeigte nach rechts auf ein düster aussehendes Gebäude. «Das ist das Polizeigefäng nis, in dem unser Klient zur Zeit logiert. Als erstes haben wir dort morgen eine Verabredung, und danach haben Sie viel leicht den Wunsch, an Captain Lindens Beerdigung auf dem Zentralfriedhof teilzunehmen.» Er nickte nach hinten zum Gefängnis. «Übrigens ist Herr Becker noch nicht lange da drin. Ursprünglich hatten die Amerikaner vor, den Fall als eine Sache der militärischen Sicherheit zu behandeln, und sperrten ihn folglich in ihrem Kriegsgefangenenlager in der Stiftskaserne ein - das ist das Hauptquartier ihrer Militärpo lizei in Wien. Es war teuflich schwierig, dort rein- und raus zukommen, kann ich Ihnen sagen. Wie auch immer, der Of fizier für Öffentliche Sicherheit der Militärregierung hat jetzt entschieden, daß der Fall vor ein österreichisches Gericht gehört, und darum sitzt er jetzt dort bis zur Verhandlung, wann immer die stattfinden wird.»
    Liebl beugte sich vor, tippte dem Fahrer auf die Schulter und sagte ihm, er solle rechts abbiegen und geradeaus zum Allgemeinen Krankenhaus fahren.
    «Wenn wir schon für das Taxi bezahlen, können wir eben sogut Ihr Gepäck abliefern », sagte er. «Es ist bloß ein kurzer Umweg. Sie haben zumindest gesehen, wo Ihr Freund ist, und können also einschätzen, wie ernst seine Lage ist.
    Ich möchte nicht unhöflich sein, Herr Gunther, aber ich sollte Ihnen sagen, daß ich strikt dagegen war, Sie

Weitere Kostenlose Bücher