Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
warum ich hier bin», sagte ich. «Ich kam zu dem Schluß, daß Sie vermutlich jede Hilfe brauchen würden, die Sie kriegen könnten, wenn sie in Ihrem Fall das Sagen hätte. Soweit es Ella betrifft, baumeln Sie bereits.»
« So sehr haßt sie mich? » «Wie die Pest.»
«Nun, sie hat das Recht dazu, schätze ich.» Er seufzte und schüttelte den Kopf. Dann nahm er einen langen nervösen Zug, der kaum das Zigarettenpapier übrig ließ. Einen Augenblick starrte er mich an, und seine blutunterlaufenen Augen blinzelten angestrengt durch den Qualm. Nach eini gen Sekunden hustete er und lächelte dabei. «Fangen Sie an und fragen Sie mich.»
«Gut. Ha ben Sie Ca ptain Linden getötet? »
« Gott ist mein Zeuge, nein.» Er lachte. «Kann ich jetzt ge hen, Kommissar?» Er machte erneut einen tiefen Zug. «Sie glauben mir doch, Berni, oder? »
«Ich glaube, Sie hätten eine bessere Geschichte auf Lager, wenn Sie lügen würden. Soviel Grips traue ich Ihnen zu. Aber wie ich schon Ihrer Freundin sagte ... »
«Sie haben Traudl getroffen? Gut. Sie ist großartig, nicht wahr? »
«Ja. Der Himmel allein weiß, was sie an Ihnen findet.» «Ihr gefällt meine Konversation, ist doch klar. Darum sieht sie's nicht gern, daß ich hier eingesperrt bin. Sie vermißt unsere kleinen Kaminplaudereien über Wittgenstein.» Das Lächeln verschwand, als er seine Hand über den Tisch streckte und meinen Unterarm umklammerte. « Hören Sie, Sie müssen mich hier rausholen, Berni. Die fünftausend soll ten Sie bloß ins Geschäft bringen. Beweisen Sie, daß ich un schuldig bin, und ich werde Ihr Honorar verdreifachen.»
«Wir wissen beide, daß das nicht einfach sein wird.» Becker mißverstand mich.
«Geld ist kein Problem: Ich habe jede Menge Geld. In einer Garage in Hernals habe ich einen Wagen stehen mit 30000 Dollar im Kofferraum. Sie gehören Ihnen, wenn Sie mich freikriegen. »
Liebl verzog das Gesicht, als sein Klient fortfuhr, seinen offensichtlichen Mangel an Geschäftstüchtigkeit zu demon strieren. «Wirklich, Herr Becker, als Ihr Anwalt muß ich pro testieren. Das ist nicht die Art ... »
«Maul halten», sagte Becker grimmig. «Wenn ich Ihren Rat brauche, werd ich Sie danach fragen.»
Liebl zuckte diplomatisch die Achseln und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
«Hören Sie», sagte ich, «über einen Bonus können wir re den, wenn Sie draußen sind. Das Geld stimmt. Sie haben mich bereits gut bezahlt. Ich habe nicht von Geld gespro chen. Nein, ich hätte gern ein paar Anhaltspunkte. Also, warum fangen Sie nicht an und erzählen mir was über Herrn König: wo Sie ihn trafen, wie er aussieht und ob Sie glauben, daß er seinen Kaffee mit Sahne trinkt? In Ordnung? »
Becker nickte und trat seine Zigarette auf dem Boden aus.
Er preßte die Hände zusammen, löste sie wieder und begann unbehaglich seine Knöchel zu reiben. Vermutlich hatte er die Geschichte zu oft hergebetet, um sich darüber zu freuen, sie zu wiederholen.
< « Bleiben Sie bei der Sache.»
« Er sagte, er habe durch Freunde von mir erfahren. Er sagte nicht, von wem. Er habe ein Geschäft, das ich für ihn erledigen sollte: eine regelmäßige Lieferung über die grüne Grenze. Bares Geld, keine Fragen. Es sei eine leichte Sache. Ich müsse nichts anderes tun, als ein kleines Päckchen aus einem Büro hier in Wien abholen und in einem anderen Büro in Berlin abgeben. Aber bloß, wenn ich sowieso auf Tour ginge, mit einer Wagenladung Zigaretten oder etwas Ähn lichem. Wenn sie mich erwischten, würden sie Königs Päck chen wahrscheinlich überhaupt nicht bemerken. Zuerst dachte ich, es ginge um Drogen. Aber dann öffnete ich eines der Päckchen. Es waren bloß ein paar Akten: Akten der Par tei, der Armee, der SS. Altes Zeug. Ich konnte nicht begrei fen, was daran für sie so wertvoll war.»
« Waren es immer bloß Akten? » Er nickte.
« Captain Linden arbeitete für das amerikanische Docu ment Center in Berlin », erklärte ich. « Er war ein Nazi-jäger. Diese Akten -
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