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Bernie allein unterwegs

Bernie allein unterwegs

Titel: Bernie allein unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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sie damit fertig, stellte das Cremedöschen weg, fasste sich in den Mund – und nahm ihre Zähne heraus! Sie hatte wahrhaftig ihr ganzes Gebiss in der Hand und ließ es in ein Glas mit Wasser fallen. Dort sah es noch bedrohlicher aus als in Tante Huldas Mund. Ich begann mich so zu fürchten, dass mir die Spucke in wahren Sturzbächen aus dem Maul lief und ich einen Winterpullover von Maike total durchweichte. Ich hatte nämlich noch nie davon gehört, dass Menschen ihre Zähne herausnehmen konnten. Ich dachte immer, die wären genauso festgewachsen wie bei Hunden.
    Vielleicht war Tante Hulda so etwas wie ein menschlicher
Hai. Mama hatte uns erzählt, dass Haie in ihrem Maul immer wieder ein neues Gebiss herausklappen konnten, wenn das alte verbraucht war. Und darum musste Tante Huldas Gebiss wohl auch nachts im Wasser schwimmen.
    Und wenn sie mich im Schrank fand, würde sie mich in die Nase beißen.
    Ich schlotterte vor Angst.
    In dieser Nacht schreckte ich bei dem leisesten Geräusch auf und beruhigte mich erst, wenn ich mir sicher war, dass Tante Hulda immer noch schlief.
    Die Vögel im Garten fingen schon zu zwitschern an, als ich endlich – völlig erschöpft – in einen tiefen Schlaf fiel.

GUTEN MORGEN, TANTE HULDA
    Ich war natürlich überhaupt noch nicht ausgeschlafen, als es frühmorgens an die Tür klopfte. Besser gesagt, es war ein wütendes Bummern. Tante Hulda schreckte auf, das konnte ich durch eine Ritze in der Schranktür beobachten. Die Haare standen ihr zu Berge, als ob sie einen Stromschlag bekommen hätte. Sie stand auf und schleppte sich zur Tür. Dabei gähnte sie ununterbrochen, so verschlafen war sie noch.
    »Guten Morgen, Hulda«, sagte Maikes Mutter Katrin eisig. »Ich hoffe, du hast gut geschlafen.«
    »Nein, habe ich nicht«, knurrte Tante Hulda. »Irgendjemand hat derartig laut geschnarcht, dass es durchs ganze Haus gedröhnt hat und man kein Auge zumachen konnte. Du wahrscheinlich, oder dein Mann.«
    Maikes Mutter war empört. »Wir schnarchen nicht. Das hast du mal wieder geträumt.«
    Ich war mir sicher, dass ich derjenige war, der geschnarcht hatte. Ich schnarche nämlich immer. Und je größer ich werde, umso lauter wird mein Schnarchen. Mama hatte immer gesagt, Schnarchen sei das schönste Konzert, das sie kenne, und wer schnarche, der sündige nicht. Außerdem sei ein
Bernhardiner ohne Schnarchen wie ein Kanarienvogel ohne Gesang.
    Ich grinste also in mich hinein und hörte den beiden weiter zu.
    »Ich weiß sehr wohl, was ich träume und was nicht, liebe Katrin! Die Nachttischlampe war an, ich war hellwach, und das Schnarchen war so unerträglich laut, als wäre eine Motorsäge direkt hier in diesem Zimmer. Bei aller Liebe, Katrin, aber ich spinne nicht.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher«, erwiderte Maikes Mutter spitz. »Du bildest dir ja dauernd irgendwelche haarsträubenden Sachen ein.«
    Tante Hulda schnaufte nur. Sie nahm ihren Morgenmantel vom Stuhl, zog ihn an und schnürte den Gürtel so fest, dass ich unwillkürlich die Luft anhielt und mich wunderte, dass sie überhaupt noch atmen konnte.
    »Warum hast du mich überhaupt aufgeweckt?«, fragte Tante Hulda mit hoher, wütender Stimme. »Um dich mit mir über schnarchende Gespenster zu unterhalten? Gerade jetzt, wo Ruhe ist und ich noch ein Stündchen schlafen könnte?«
    »Nein«, sagte Katrin und wurde gefährlich leise. »Es ist etwas Merkwürdiges passiert. Ich habe für heute Mittag einen Schweinebraten geschmort, den ich gestern schon in den Ofen geschoben hatte, damit ich ihn heute nur noch warm zu machen und dazu ein paar Kartoffeln zu kochen brauche.«
    »Wie schön«, meinte Tante Hulda wenig begeistert.
    »Ja. Und jetzt ist der Schweinebraten weg. Aus dem Kühlschrank verschwunden. Er hat sich in nichts aufgelöst, und ich
wollte dich fragen, ob du dir vorstellen kannst, wo der Braten hingekommen ist.«
    Tante Hulda seufzte laut. »Mein Gott, woher soll ich denn wissen, was in deinem Kühlschrank ist und was nicht? Ich habe noch keinen einzigen Blick in deinen Kühlschrank geworfen, und es interessiert mich auch nicht.«
    »Der Braten war in einer Schüssel mit blauen Tupfen.«
    »Ja und? Vielleicht hast du ihn in geistiger Umnachtung in den Küchenschrank gestellt oder in den Mülleimer geworfen.«
    Katrins Augen blitzten zornig. »Das meinst du doch jetzt nicht ernst, Hulda!«
    »Das meine ich ganz ernst! Und jetzt würde ich gerne ins Bad gehen, und dann wäre ich dir dankbar, wenn ich in diesem Haus,

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