Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection
auf.
»Wie dir sicherlich bekannt ist«, fuhr Peters augenzwinkernd fort, »ist die Bildung von Waschhäuten, einen permanenten Aufenthalt im Wasser vorausgesetzt, nach etwa 24 Stunden abgeschlossen, ausgehend von einer Wassertemperatur von circa 20 Grad. Was wir im vorliegenden Fall mehr oder weniger voraussetzen können. Im Winter, das sei der Klarheit halber gesagt, dauert die Prozedur erheblich länger, manchmal mehrere Tage.«
»Fazit: Im Falle des unbekannten Toten war die Bildung der Waschhaut noch nicht vollendet.«
»Wusste ich’s doch, dass du für höhere Aufgaben bestimmt bist!«, rief Peters aus und spendete demonstrativ Applaus. »Das war aber längst noch nicht alles.«
»Ach ja?«
»Abgesehen von zahlreichen Hautabschürfungen, die durch Äste, Zweige, Treibgut und was weiß ich nicht alles verursacht worden sein könnten, sind keinerlei Anzeichen für einen längeren Badeurlaub zu erkennen.«
»Ha, ha. Verwesungsspuren?«
»Rudimentär. Keinerlei Spuren von Maden.«
»Ganz im Sinne meiner Theorie«, murmelte Sydow und ließ die Handfläche über seinen Stoppelbart gleiten.
»So ungern ich dir auch recht gebe – ja«, pflichtete ihm Peters bei und sah sich nach allen Seiten um. »Zumal sich die Vorhut der possierlichen kleinen Tierchen erst nach etwa 24 Stunden die Ehre gibt.«
»Is was?«, fragte Sydow, dem der forschende Blick des Gerichtsmediziners nicht entgangen war.
»Wenn du mich so fragst – ja«, gestand Peters im Stile eines Lausejungen, der gerade dabei war, bei seiner Mutter eine Generalbeichte abzulegen. »Haste vielleicht mal ’ne Stulle für mich?«
»Erst die Arbeit …«
»Dann die Labsal – schon kapiert. Dabei könnte ich eine kleine Stärkung wirklich vertragen. Das Beste kommt nämlich noch.« Peters rang theatralisch nach Luft. »Im Hinblick auf die genaueren Todesumstände von Herrn Unbekannt tappe ich natürlich im Dunkeln, was die Ursache für seinen Tod betrifft, liegen die Dinge jedoch anders.«
»Spuck’s aus, Doc.«
»Tod durch Überdosis, Herr Kriminalrat in spe. Der gute Mann hatte so viel Morphium intus, dass man damit ein halbes Bataillon hätte schachmatt setzen können. Pietätvoller ausgedrückt: klarer Fall von mehrfacher Überdosis.«
»Suizid?«
»Und die Hämatome, vor allem am Hinterkopf? Nee, Tommy-Boy, da steckt wesentlich mehr dahinter. Wie du bereits zu schlussfolgern geruhtest: Gut möglich, dass der Knabe nach allen Regeln der Kunst durch die Mangel gedreht worden ist. Und nicht nur einmal.«
»Gefoltert, wolltest du sagen.«
»Anzunehmen. Zumal manche der Hämatome älteren, andere wiederum, so zum Beispiel dasjenige am Hinterkopf, wesentlich jüngeren Datums sind.«
»War’s das?«
»Bis auf das Sahnehäubchen – ja.«
»Moment, ich muss mich erst setzen«, bat Sydow, räumte einen Stapel Klamotten beiseite und nahm auf seinem Schreibtischstuhl Platz.
»Eine weise Entscheidung«, sprach Peters, redlich bemüht, seinen Heißhunger zu unterdrücken. »Sonst hätte es dich nämlich umgehauen.«
»Wieso denn?«
»Weil der linke Oberarm des Toten, dessen Namen wir noch nicht kennen, auf der Unterseite eine uns beiden bestens bekannte Tätowierung aufweist, in etwa 20 Zentimeter vom Ellbogen entfernt.« Der Schalk im Nacken des Gerichtsmediziners verflüchtigte sich und wich unterdrücktem Groll. »Muss ich etwa noch deutlicher werden?«
»Nicht nötig, ich weiß, was eine Blutgruppentätowierung ist.«
»Höchste Zeit, dass wir’s wieder mit der SS zu tun kriegen, oder?«
Sydow blähte die Backen auf, ließ seine Atemluft entweichen und rieb die blassblauen, von rötlichen Wimpern umrahmten Augen. »Nur knapp 1,80 Meter groß, dunkelhaarig und das genaue Gegenteil eines nordischen Recken – ich frage mich, wie es den in die SS verschlagen hat.«
»Besser, du fragst dich, wie es ihn in die Psychiatrische Abteilung der Charité verschlagen hat.«
»In die … was?«
»Naujocks lässt dir ausrichten, er habe mit seinem Bruder telefoniert.« Peters beugte sich nach vorn, stützte die Ellbogen auf die Knie und verschränkte die Hände. »Der VEB Textilwerke Babelsberg, so der Herr Vertriebsleiter unter dem Siegel äußerster Verschwiegenheit, beliefere mehrere Großkunden, aber nur einen einzigen in Berlin-Mitte.«
»Die Psychiatrie?«
»Bist ein kluges Kerlchen, Tom«, trompetete Peters und breitete die Arme aus. »Und was lernen wir daraus?«
»Dass unser Kumpel von der SS möglicherweise nicht mehr alle Tassen im
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