Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection
warum wenden Sie sich in diesem Fall nicht an Ihre Ostberliner Kollegen?«
Sydow seufzte gequält. »Sie wissen so gut wie ich, dass ich das gar nicht erst zu versuchen brauche.«
»Sonst noch was?«
»Nein«, log Sydow und kam sich ziemlich schäbig dabei vor. »Was mich betrifft, wär’s das so ziemlich gewesen.«
»›So ziemlich‹, aha«, echote Kuragin und fuhr sich durch das dunkle, in dichten Wellen nach hinten gekämmte Haar. »Na schön, ich werde sehen, was sich machen lässt. Mal schauen, welche Abgründe sich vor mir auftun werden. Von denen, welche sich dank der Inkompetenz unserer SED-Genossen im Verlauf des gestrigen Tages bereits aufgetan haben, gar nicht zu reden.«
»Danke, Kuragin«, flüsterte Sydow und reichte seinem Nebenmann die rechte Hand, »vielen Dank, dass Sie meinetwegen so viel …«
»Nichts zu danken, Herr Kriminalhauptkommissar«, kam ihm der MGB-Oberst rasch zuvor und drückte sie. »Wer weiß, vielleicht können Sie sich in nächster Zeit revanchieren.«
»Für den Fall, dass Sie mit dem Kempinski zufrieden sein sollten – gerne!«
Kuragin gab ein ungezwungenes Lachen von sich, zum ersten Mal, seit Sydow ihn kennengelernt hatte. »Mehr kann man bei Ihrer Besoldung auch nicht verlangen«, scherzte er, während Sydow die Tür öffnete und aus dem Moskwitsch stieg.
»Doswidanja [32] , Herr Kriminalhauptkommissar – und viel Glück.«
»Viel Glück, Kuragin – und danke!«, rief ihm Sydow hinterher, nachdem der Moskwitsch ein waghalsiges Wendemanöver vollzogen und mit quietschenden Reifen Kurs auf das Brandenburger Tor genommen hatte. Danach überquerte er die Fahrbahn und schlug den Weg ein, der zum Potsdamer Platz führte. Genug Zeit, die morgendliche Idylle im Tiergarten zu genießen, blieb ihm jedoch nicht. »Extrablatt!«, hörte er plötzlich eine Stimme rufen. »Die neuesten Meldungen aus Ostberlin – Extrablatt! 10 Pfennig, der Herr – danke.«
Volle zehn Minuten, nachdem ihm der Zeitungsjunge unweit des Kemperplatzes die Sonderausgabe der Morgenpost in die Hand gedrückt hatte, stand Sydow immer noch an der gleichen Stelle, wütend wie seit Langem nicht mehr. Mit ein Grund waren natürlich die Nachrichten auf Seite eins, ein anderer der ausführliche Artikel zwei Seiten weiter. »Na warte, du Schlawiner«, grollte er, nachdem weitere fünf Minuten vergangen und sein Zornausbruch ins Unermessliche gestiegen waren. »Wenn ich dich kriege, kannst du dein Testament machen!«
Vier
Berlin / Brandenburg an der Havel
(17.06.1953)
Alberich
Burg Kriebstein / Sachsen
(01.04.1945)
›Wie durch Fluch er mir geriet, verflucht sei dieser Ring!
Gab sein Gold mir Macht ohne Maß,
nun zeug sein Zauber Tod dem, der ihn trägt!‹
Fluch des Alberich, Hüter des Nibelungenhortes
in Richard Wagners Oper Das Rheingold
aus dem Jahre 1869
*
›Am 12. Januar 1945 meldete Rohde dem Städtischen Kulturamt schriftlich, er sei nunmehr dabei, die Paneele zu verpacken. Er gedenke, sie nach Sachsen zu bringen.‹
( Der Spiegel Nr. 49 / 4.12.2000)
19
Torhaus | 19.40 h
»Wie Parsifal vor der Gralsburg«, lästerte Ole Jensen, als der Kommandeur seiner Sondereinheit, SS-Standartenführer Hans-Hinrich von Oertzen, an das Tor der wehrhaften Burganlage hämmerte, die sich auf einem steil aufragenden Felsgrat über dem Zschopautal erhob. Die Sonne war soeben untergegangen, und aus dem Talgrund krochen feuchtwarme Dunstschwaden empor. Was wie eine Opernkulisse anmutete, entsprach jedoch der Realität, genau wie die Türme, Dachreiter und Erker, die mit den Schatten der hereinbrechenden Nacht verschmolzen. »Der könnte glatt in Bayreuth auftreten.«
»Das lass ihn mal lieber nicht hören, du Heringsbändiger!«, wies ihn der Fahrer des VW-Kübelwagens in die Schranken und warf einen Blick über die linke Schulter. »Bei so was versteht unser Mustergermane keinen Spaß.«
SS-Sturmbannführer Jensen, Friese aus echtem Schrot und Korn, zuckte mit den Schultern. »Na und? In ein paar Wochen ist der Krieg sowieso …«
»Enthüllet den Gral! Walte des Amtes!«, deklamierte der Dritte im Bunde, der den Rang eines Obersturmbannführers bekleidete. Im Gegensatz zu seinen Kameraden, deren Erscheinungsbild zu wünschen übrig ließ, saß seine Uniform wie angegossen. »Dich mahnet dein Vater: Du musst, du musst!«
»Soll er doch schiffen gehen, hinterher isses ihm leichter«, setzte der knorrige, wettergegerbte und
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