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Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Titel: Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Liebesdienerinnen, nach der sich jeder Catch-as-catch-can-Veranstalter die Finger geleckt hätte, von Sydow nicht abwimmeln. »Weeste, wat ick glaube, Schätzchen?«, raunte sie ihm in mitfühlendem Tonfall zu, die qualmende Zigarre in der rechten, das Ende ihrer roten Federboa in der linken Hand. »Langsam aber sicher brauchste mal wieder ’ne …«
    »Noch ein Wort, Lola«, schnitt ihr Sydow im Handumdrehen das Wort ab, »noch einziges Wort, und ich lasse dich auf der Stelle in U-Haft nehmen!« Er war es leid, ständig mit Ratschlägen eingedeckt zu werden, mochten sie auch noch so gut gemeint sein. »Halt dich da raus, klar?« Kaum hatte er seinem Ärger Luft gemacht, packte ihn die Reue, und so schluckte er ihn hinunter und fragte: »Was kann ich für dich tun, Kleines?«
    »Frag lieber, wat ick für dir tun kann, Kleener«, blaffte die Rote Lola verschnupft, im Wissen, die Sympathie des einzigen Polizisten, dem sie über den Weg traute, dadurch nicht entscheidend schmälern zu können. »Und wie du meene mütterliche Fürsorje wieder jutmachen kannst.«
    »Klingt interessant, Lola. Lass hören.«
    »Wusste ick et doch, dat det dir interessiert.« Ein breites Grinsen auf dem mit Rouge vollgekleisterten Gesicht, lugte Erna Pommerenke über die Schulter und warf der Gestalt, die sich nach wie vor in der Nähe der Tür herumdrückte, einen auffordernden Blick zu. »Spuck’s aus, Paule.«
    Der Angesprochene, nach Sydows Schätzung höchstens 40, unter Umständen sogar wesentlich jünger, ließ sich nicht lange bitten. »Also, das war so«, legte der mittelgroße, mit Hut, zerfledderter Jacke und viel zu weiter Hose bekleidete Begleiter von Erna Pommerenke los, »eigentlich bin ich ja aus Wannsee, aber …«
    »Det will der Herr Kommissar gar nich wissen, du Transuse«, funkte die Rote Lola dazwischen, sog an ihrer Havanna und nebelte ihn komplett ein. »Komm zur Sache, oder et setzt wat.«
    »Ich … ich habe eine Aussage zu machen, Herr Kommissar«, tat der Gescholtene, von seiner Sprechweise her aus Schlesien, laut hüstelnd und mit bleicher Miene kund.
    »Dann mal nichts wie los, Herr …«
    »Nahler, Herr Kommissar, Paul Nahler«, vollendete der Angesprochene devot, die verhärmte, vor der Zeit gealterte Gesichtspartie auf den Hut gerichtet, den er als Zeichen der Ehrerbietung flugs abgenommen hatte. »Derzeit ohne festen Wohnsitz.«
    »Und was gibt es Interessantes zu erzählen, Herr Nahler?«
    »Paule, sagen Sie ruhig Paule zu mir, Herr Kommissar.«
    »Also gut, Paule –«, fuhr Sydow mit freundlichem Lächeln fort, »wo drückt der Schuh?«
    Nahler schluckte und fuhr mit der Hand über sein stoppeliges Kinn. »Ich habe … ich habe …, also, das war so: Vor zehn Jahren, genauer gesagt am 16. Juni 1943, ist ein Kumpel von mir in russischer Gefangenschaft gestorben. Aus diesem Anlass habe ich mir die Freiheit genommen, ihm einen kleinen Besuch abzustatten. Wie in jedem Jahr.«
    »Das müssen Sie mir näher erklären, Paule.«
    »Du, Herr Kommissar, ich bitte Sie. Ich sammle nämlich alle möglichen Sachen, müssen Sie wissen. Als da wären Klamotten, Bierflaschen, alte Möbel und Gerümpel jeder Art. Lauter Zeugs eben, das die Leute nicht mehr brauchen. Ab und zu helfe ich noch in Lolas … in Lolas Kneipe aus.« Ein naiv-kindliches Lächeln trat auf Nahlers Gesicht. »Kein Mensch käme auf die Idee, mich zu siezen, im Leben nicht.«
    »Na gut, wenn du drauf bestehst, Paule«, willigte Sydow ein, der den Stadtstreicher eigentlich ganz sympathisch fand. »Lass mal hören – wie war das gleich mit deinem Freund?«
    »Wie gesagt – da er gestern vor zehn Jahren an Typhus gestorben ist, hielt ich es für meine Pflicht, mal wieder bei dem Ehrengrab meines Kumpels vorbeizuschauen, das seine Eltern für ihn auf dem Zehlendorfer Waldfriedhof …«
    »Zehlendorf?«, rief Sydow aus, auf einen Schlag wie elektrisiert. »Habe ich da eben richtig gehört?«
    »… haben anlegen lassen. Damals, anno 43, ist er ja einfach verscharrt worden. Irgendwo in Sibirien, am Arsch der Welt. Ohne Kreuz, ohne Pfarrer, ohne Ansprache. Einfach so.« Nahler errötete. »Entschuldigen Sie, Herr Kommissar, aber was haben Sie gerade eben gefragt?«
    »Schon gut, Paule«, wiegelte Sydow ab und nahm sich vor, auf weitere Temperamentsausbrüche tunlichst zu verzichten. »Und dann?«
    »Na ja, dann habe ich eine Flasche Doppelkorn geköpft und meinen Kumpel, die sechste Armee und all die armen Schweine, die der Iwan hat verrecken lassen,

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