Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection
legte. Bei Sydow, dem Objekt ihrer Mutterinstinkte, machte sie dagegen eine Ausnahme. Er durfte sie sogar mit ihrem Spitznamen anreden. »Er scheint zwar auf dem Weg der Besserung zu sein, aber momentan sieht es anscheinend ziemlich düster aus.«
»Und seine BMW?«
»Weiterhin keine Spur von ihr«, antwortete die Sekretärin mit einem Tonfall, aus dem man hätte schließen können, sie müsse dies auf die eigene Kappe nehmen. »Zu dumm, dass die amerikanische Streife den Kerl, der den Motorradfahrer niedergeschossen hat, nicht zu fassen bekommen hat.«
Sydow atmete geräuschvoll aus. »Das können Sie aber laut sagen, Molli.«
»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Herr Kommissar?«
»Nein, vielen Dank– für den Moment …, doch, können Sie!« Heilfroh, dass die Wunden, die seine Gardinenpredigt hinterlassen hatte, offenbar verheilt waren, flötete Sydow mit zuckersüßer Stimme: »Seien Sie bitte so gut und suchen Sie mir die Adresse von diesem von Oertzen raus. Vorausgesetzt, es gibt Hinterbliebene, ist es höchste Zeit, sie über den Vorfall in Kenntnis zu setzen.«
»Finde ich auch, Herr Kommissar«, antwortete die Vorzimmerdame mit belegter Stimme, aufgrund der Details, die Krokowski ihr in groben Zügen geschildert hatte, noch eine Spur blasser als sonst. »Das bleibt Ihnen wohl nicht erspart.«
»Mir?«
»Ja, wem denn sonst?«, bekräftigte Fräulein Mollig, nickte und trat den Rückzug an. »Von einem künftigen Kriminalrat kann man das ja wohl verlangen.«
Sprach’s und warf die Tür hinter sich zu.
»Autsch!«, ächzte Sydow, fast erleichtert, endlich sein Fett abbekommen zu haben. »Eins zu eins – das hat gesessen.«
Da half nur ein weiterer Schluck Kaffee, und sei es nur, um den Kopf wieder halbwegs frei zu bekommen. Die erhoffte Besserung seines Gemütszustandes ließ jedoch auf sich warten. Weiterhin hundemüde, stellte Sydow die Tasse ab und trat ans Fenster. Der Bürgersteig vor dem Präsidium, nur einen Katzensprung vom Flughafen Tempelhof entfernt, war wie leer gefegt, und die brütende Hitze, auf die er liebend gerne verzichtet hätte, trieb ihm schon am frühen Morgen den Schweiß auf die Stirn. Wie nicht anders zu erwarten, kreisten seine Gedanken alsbald wieder um die Frage, über die er sich bereits mehrfach den Kopf zerbrochen hatte. Doch sooft er sie sich auch stellte, so sehr er sein Gedächtnis auch bemühte oder den Bekanntenkreis seines verstorbenen Vaters, des Freiherrn von und zu Sydow, auch durchforstete – der Name von Oertzen tauchte darin nicht auf.
In der Absicht, sich dem ungeliebten Aktenstudium zu widmen, nahm Sydow daraufhin einen Leitzordner aus dem Regal und lümmelte sich in den Sessel hinter seinem Schreibtisch. Dass daraus nichts wurde, machte ihm nicht sonderlich zu schaffen, das Ungetüm von einer Frau, die sich trotz heftiger Gegenwehr seiner Sekretärin den Weg in sein Refugium bahnte, dagegen schon. Er war so sehr auf sie fixiert, dass er das Jammerbild von einem Mann, der im Schlepptau der Roten Lola den Raum betreten hatte, zunächst völlig ignorierte.
»Nett, dass du wieder mal vorbeischaust, Lola«, würgte Sydow mit verkrampftem Lächeln hervor, vollauf damit beschäftigt, die Rangelei zwischen den beiden Kontrahentinnen zu beenden. »Bitte Platz zu nehmen, Majestät.«
»Ich muss schon sagen, Herr Kommissar, so etwas habe ich in all meinen Jahren bei der Kriminalpolizei …«
»Ich schon, Molli, ich schon«, stöhnte Sydow mit Blick auf die Zweizentnerfrau, unter deren Gewicht der Stuhl vor seinem Schreibtisch bedenklich zu ächzen begann, und komplimentierte seine Sekretärin zur Tür hinaus. »Geht in Ordnung, lassen Sie mich mit der Dame allein.«
»Det haste aber schön jesagt, Schätzchen!«, grunzte die Rote Lola alias Erna Pommerenke nach dem Verschwinden ihrer Sparringspartnerin und stopfte eine echte Havanna in den grellrot geschminkten Mund.
»Was denn, Lola?«, fragte Sydow, nachdem die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war.
»Na, det mit der Dame«, polterte Kreuzbergs Bordellkönigin, deren hautenges Atlaskleid beinahe aus den Nähten platzte, von den Netzstrümpfen über den fettstrotzenden Schenkeln ganz zu schweigen. »Wenn ick jetzt noch Feuer kriege, Süßer, haste dir deine Gratisnummer redlich verdient.«
»Zu gütig, Lola!«, wehrte Sydow ab und reichte ihr sein Feuerzeug, nicht sicher, wie das Angebot zu verstehen war. »Kein Bedarf.«
Doch so leicht ließ sich die Grande Dame der Kreuzberger
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