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Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Titel: Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Villa in der Seestraße, vor der ihn das Taxi abgesetzt hatte, musste Sydow automatisch an seine Jugend in der Nähe von Neuruppin denken. Sein Elternhaus lag direkt am Ruppiner See, nur einen Katzensprung von Wuthenow entfernt. Es war der ganze Stolz seines Vaters gewesen, einer von einem halben Dutzend Krautjunkern, die in der Gegend das Sagen gehabt hatten. Nach dem Krieg, als Sydow in die Schule kam, war es mit dem ererbten Besitz steil bergab gegangen, weshalb Vater ihn nach Eton geschickt, sein Hab und Gut für einen Spottpreis verscherbelt und in den diplomatischen Dienst eingetreten war. Etliche Jahre später, nach der Scheidung der Eltern und der Rückkehr seiner Mutter nach England, war er zur Kripo gegangen – und bis auf den heutigen Tag dort geblieben.
    Sydow drückte auf die Klingel. Da niemand öffnete oder sich blicken ließ und seine Verletzung ihm mehr zusetzte, als ihm lieb war, öffnete er kurzerhand die Tür und betrat den Garten, durch den ein sorgsam geharkter Mittelweg zum Portikus der mondänen, kurz nach der Jahrhundertwende erbauten Villa führte.
    Und blieb wie angewurzelt stehen.
    Noch etwas, das nicht zusammenpasst, dachte er, umgeben von Sonnenblumenrabatten, Dahlien, Stockrosen und Buchsbäumen, die den Eindruck einer durch nichts zu erschütternden Idylle erweckten. Impressionen, die durch den Wannsee, der zwischen sorgfältig gestutzten Hecken hindurchschimmerte, noch verstärkt wurden. Auf welche Weise auch immer der Eigentümer des Anwesens zu seinem Vermögen gekommen war, er hatte gewusst, wo es sich gut leben ließ, und hatte allem Anschein nach eine Menge Geld auf den Tisch geblättert, um sich dieses irdische Paradies unter den Nagel reißen zu können.
    »Sie wünschen, mein Herr?«
    Sydow war nicht gerade ein Naturliebhaber, aber dennoch so sehr in den Bann des Gartens gezogen, dass er das Mädchen am anderen Ende des Weges nicht bemerkt hatte. »Tom Sydow, Kripo Berlin«, antwortete er, setzte sich wieder in Bewegung und zückte seinen Dienstausweis, um sich gegenüber dem etwa 15 Jahre alten Teenager auszuweisen. »Wenn es keine allzu großen Umstände macht, hätte ich gerne mit Frau von Oertzen gesprochen.«
    »Worum geht es, wenn man fragen darf?«
    Volltreffer!, stellte Sydow erleichtert fest und setzte sein Strahlemannlächeln auf. Im Adressbuch war nur der Name des Hausherrn verzeichnet, deshalb hatte er einfach drauflosspekuliert. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, möchte ich es der Dame des Hauses lieber persönlich sagen.«
    »Muss das wirklich sein?«, widersetzte sich das Mädchen und trat Sydow mit verschränkten Armen in den Weg. »Meine Mutter fühlt sich nicht wohl.«
    »So leid es mir tut, junge Dame«, beharrte Sydow, der nicht vorhatte, sich wie ein Hausierer abfertigen zu lassen. »Ich muss auf diesem Gespräch bestehen.«
    Das Mädchen rümpfte die Nase, baute sich trotzig vor ihm auf. Von Oertzens Tochter war bildhübsch anzuschauen, mit Sommersprossen, langem, zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenem Haar, gertenschlank und einem cremefarbenen, mit roten Kirschen verzierten Petticoat samt Stöckelschuhen. Allem Anschein nach war sie auf dem Weg zu irgendeiner Feier, möglicherweise auch zu einem Besuch. Auf Polizisten war sie offenbar nicht gut zu sprechen, obwohl der Eindruck, den Sydow von ihr bekam, an sich kein negativer war.
    »Ob es Ihnen behagt oder nicht.« Mit das Auffälligste, wenn nicht gar Anziehendste an der jungen Dame waren ihre Augen – blau schimmernd, weit offen und von zarten Brauen überwölbt. Sydow stutzte, und während er sie so betrachtete, dachte er an die Zeit vor dem Krieg, als er 17 und zum ersten Mal richtig verknallt gewesen war. Und dann, zur Verwunderung des Mädchens, fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen, und er war so perplex, dass er es einfach nur weiter anstarrte und keinen vernünftigen Ton mehr herausbrachte.
    »Ist Ihnen etwa nicht gut?«, fragte sie in verunsichertem Ton. »Vielleicht ist es wirklich besser, wenn Sie nachher noch mal wieder…«
    »Schon gut, Liebes«, machte plötzlich eine Stimme auf sich aufmerksam, »du kannst jetzt ruhig rüber zu deiner Freundin gehen. Ich komme schon allein zurecht.«
    »Wirklich?«
    Die adrette, ihrer Tochter wie aus dem Gesicht geschnittene Enddreißigerin gab ein bekräftigendes Nicken von sich. »Auf alle Fälle!«, versicherte sie, verabschiedete sich von ihrem Kind und wandte sich daraufhin Sydow zu. Der wiederum wusste nicht, wie ihm geschah,

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