Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection
auf der Tischplatte hin und her rutschen.
»Meinetwegen. Wird sich zeigen, ob das was bringt.«
»Übermäßig zuversichtlich hörst du dich nicht gerade an.«
»Bin ich auch nicht«, gestand Sydow mit Blick auf die großformatige Schwarz-Weiß-Aufnahme ein. »Mister X wird sicher nicht so blöd sein und weiter mit einer amerikanischen Luxuslimousine rumkurven. Fällt doch viel zu sehr auf. Vorausgesetzt, der Kerl ist so gerissen, wie wir denken, wird es ihm nicht schwerfallen, bei nächster Gelegenheit eine Karre zu klauen.«
»Oder er lässt die Corvette irgendwo stehen.«
»Genau.« Sydow stützte den Ellbogen auf die Tischkante und zupfte nachdenklich an seiner Nasenspitze herum. »Fragt sich, was der Kerl im Schilde führt. Was der Grund ist, weshalb er so viel riskiert.«
»Geld, was denn sonst?«
»Du willst mir doch nicht etwa weismachen, dass die Jungs aus der Normannenstraße Prämien einstreichen? Komm schon, Eduard, das glaubst du doch selbst nicht. Wenn schon eine Belohnung, dann höchstens einen Orden, mehr ist für unseren Musketier mit Sicherheit nicht drin.«
»Und was, wenn er zwar bei der Stasi ist, aber auf eigene Faust agiert?«
»Ein Einzelgänger, meinst du? Also wirklich, Eduard. Auf so eine bescheuerte Idee kannst auch wirklich nur …« Im Begriff, Krokowski wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen, blieb Sydow glatt die Spucke weg. »Moment mal – verstehe ich dich da richtig: Du bist allen Ernstes der Meinung, dass wir es hier mit einem Überläufer zu tun haben?«
»Warum nicht?«, gab Krokowski selbstsicher zurück. »An Interessenten für das Bernsteinzimmer herrscht bestimmt kein Mangel. Russen, Amerikaner, schwerreiche Kunstliebhaber – du kannst es dir aussuchen, Tom.«
»Kempa: SS-Mitglied. Von Oertzen: SS-Mitglied. Würde mich nicht wundern, wenn dieser … wie hieß er doch gleich?«
»Ole Jensen.«
»Genau. Würde mich nicht weiter überraschen, wenn Kempas Kumpel ebenfalls mit von der Partie gewesen wäre. Wer weiß, vielleicht ist es ja der Kerl auf dem Beifahrersitz.«
»›Mit von der Partie‹ – wobei denn?«
»Bei einer geheimen Kommandooperation, in deren Verlauf das …«
»… Bernsteinzimmer von der Bildfläche verschwunden ist. Auf dass man sich zu gegebener Zeit daran erinnern, bei den Alliierten lieb Kind machen oder sonst wie Kapital daraus schlagen möge.«
Sydow pfiff anerkennend durch die Zähne. »Dafür hast du einen Orden verdient, Eduard!«, verkündete er. Und murmelte halblaut vor sich hin: »Vorausgesetzt, unsere Theorie stimmt.«
»Ehrlich gesagt: Eine Beförderung wäre mir lieber.«
»Wenn, dann aber bitte nur für dich«, entgegnete Sydow, kramte einen Fünfmarkschein hervor und legte ihn auf den Tisch. »Stimmt so, Fräulein«, ließ er die Bedienung wissen, die zunächst große Augen machte, ihr Glück kaum fassen konnte und sich freudestrahlend entfernte. »Mit den besten Empfehlungen von der Kripo Berlin.«
»Wenn wir gerade von Empfehlungen reden – wie geht es weiter?«
»Großfahndung, wie gehabt«, antwortete Sydow, biss auf die Zähne und rappelte sich auf.
»Wenn du mich fragst, solltest du möglichst schnell einen Arzt konsultieren«, riet ihm Krokowski, auf dem besten Wege, zu seiner alten Form und gestelzten Ausdrucksweise zurückzufinden.
Die Strafe folgte auf dem Fuße. »Halt dich da raus, Herr von und zu Hochgestochen«, schnauzte Sydow ihn an, steckte das Foto ein und machte sich auf den Weg zur Tür.
»Und ich?«
»Du, Special Agent Krokowski, wirst dich jetzt ins Document Center begeben, den dortigen Archivar konsultieren – man beachte die Wortwahl! – und versuchen, etwas über Benjamin Kempa, Hans-Hinrich von Oertzen und ein Phantom namens Ole Jensen in Erfahrung zu bringen. Korrekt ausgedrückt?«
»Dafür hast du einen Orden verdient, Tom!«, hieb Krokowski in die gleiche Kerbe wie sein Vorgesetzter und öffnete die Tür, um Sydow passieren zu lassen. »Und was ist mit dir?«
»Mit mir? Ich werde mich um die trauernden Hinterbliebenen eines distinguierten Herrn namens …«
»Aber doch wohl nicht in deinem Zustand, Tom.«
»… Hans-Hinrich von Oertzen kümmern. Bin schon gespannt, in welches Fettnäpfchen ich treten werde. Hast du gerade was gesagt, Eduard?«
»Ich geb’s auf«, seufzte Krokowski und folgte Sydow auf dem Fuß.
»Auf keinen Fall«, entschied Sydow, winkte ein Taxi herbei und sagte: »Die Sache fängt gerade erst an, mir Spaß zu machen.«
*
Beim Anblick der
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