Bernstein Verschwörung
Ohr.«
»Die Idee, den
Clip in dem Klotz zu drehen, hatte ich«, bekannte Dominik
Müller.
»Mensch Domme,
das ist doch jetzt egal«, fuhr Mehrmann ihn an. »Wir
sitzen alle in der Scheiße.« Er wandte sich an
Ulbricht. »Wie Sie inzwischen wissen, haben wir in dem
Luftschutzbunker verbotenerweise einen Video drehen wollen. Dann
hörten wir Stimmen - es klang, als würden sich zwei, drei
Personen streiten.«
»Zwei oder
drei?«, fuhr Ulbricht sofort dazwischen. Die jungen
Männer tauschten Blicke aus, Brinks zuckte mit den Schultern
und zog es wieder vor, aus dem Seitenfenster des Bulli zu
starren.
»Drei«,
antwortete Müller schließlich. »Es waren
drei.«
»Und wir haben
kein Wort verstanden. Sie haben polnisch gesprochen, oder russisch.
Vielleicht auch rumänisch oder tschechisch, das kann ich nicht
einordnen.« Mehrmann gestikulierte beim Sprechen, als
würde er einen Vortrag halten.
Ulbricht glaubte sich
daran zu erinnern, dass Rapper auf der Bühne immer ihre Arme
zucken ließen, so, als hätten sie spastische
Lähmungen. Fast wie sein alter Freund Joe Cocker, nur sah das
bei Joe kultig und bei den Rappern cool aus, wenigstens für
ihre Fans.
Brinks ließ sich
nun doch zu einer Äußerung herab. »Die Männer
begannen zu streiten.«
»Was habt ihr
gemacht?« Ulbricht musterte die drei der Reihe nach.
»Wir haben
unsere Scheinwerfer ausgemacht und uns still verhalten«,
erwiderte Mehrmann. »Moment, Moment«, fuhr Ulbricht
dazwischen. »Soll das heißen, dass ihr nicht alleine in
dem Bunker Wart? Und dass euch die russischen Polen oder die
tschechischen Rumänen nicht bemerkt haben? Ihr habt doch ein
Musikvideo gedreht. Das geht doch nicht ohne Geräusche, oder
rappt ihr für Taube?«
»Wir haben eine
Pause gemacht, weil es nicht so lief.« Mehrmann tauschte
einen Blick mit Brinks. »Und um die Batterien zu schonen,
haben wir die Scheinwerfer abgeschaltet, als es ein paar Räume
weiter zur Sache ging. Dann der Schuss, und wir hörten, wie
zwei Männer wegliefen.« Nun lächelte Mehrmann.
»Und wir waren froh, dass die uns nicht erwischt
haben.«
»Und als Ruhe im
Karton war, habt ihr nachgesehen?«
»Ja. Und den
Toten entdeckt. Dann sind wir raus aus dem Bunker, weil unsere
Handys drinnen kein Netz haben. Haben die Polizei angerufen, auf
den Schreck in der Kneipe schräg gegenüber ein Bier
gekippt, und dann kamen Ihre Kollegen auch schon mit Blaulicht an.
Dazwischen lagen zehn, allerhöchstens fünfzehn
Minuten.« Ulbricht schüttelte den Kopf. Etwas schien ihm
an der Geschichte des Rappers unlogisch zu sein. »Warum seit
ihr nicht am Tatort geblieben und habt auf die Polizei
gewartet?«
Mehrmann blickte seine
Freunde an, dann zog er ein wenig kleinlaut die Schultern hoch.
»Da wurde ein Mann erschossen. Was, wenn das die Russenmafia
war und wenn die zurückgekommen wären?« Er
schüttelte den Kopf. »Sorry, das ist eine Nummer zu
groß für uns. Wir hatten einfach Angst, verstehen Sie
das?«
Ulbricht verstand.
Mehrmann hatte das ausgesprochen, was er selber gedacht hatte. Und
wenn er es hier mit der Russenmafia zu tun hatte, dann schien das
eine ziemlich harte Nuss zu
werden.
Kaiserstraße,
22.35 Uhr
Der alte Mann
schaltete das Radio ab, nachdem die Lokalnachrichten auf der
Wupperwelle gelaufen waren. Er hatte befürchtet, dass etwas
schiefging. Nun erhob er sich aus seinem alten, verschlissenen
Ohrensessel und durchquerte das Wohnzimmer, das mit dem Licht einer
kleinen Tischlampe auskommen musste. Er hatte kein Blick für
die alten Möbel, die ihn schon sein halbes Leben lang
begleiteten und, wie er auch, langsam klapprig wurden. Der Alte
trat an das Fenster und blickte hinaus in die hereinbrechende
Nacht. Straßenlaternen tauchten das dunkle Gerüst der
Schwebebahn, das direkt an seinem Wohnzimmerfenster
vorbeiführte, in ein unwirkliches Licht. Er hatte es
geahnt.
Was sollte denn nun
aus seinem Lebenswerk werden? Wofür hatte er sich fast sechzig
Jahre lang abgerackert? Dass er mit der kümmerlichen
staatlichen Rente nicht auskam, lag auf der Hand. Obwohl die Miete
in dieser Bruchbude günstig war, musste er jeden Cent zweimal
umdrehen, bevor er ihn ausgab. Weil er das schon in frühen
Jahren erkannt hatte, war ihm die Idee mit der Altersvorsorge der
anderen Art gekommen. Er hatte die Kisten rechtzeitig beiseite
geschafft und in seiner Heimat versteckt, um sie zu einem
günstigen Zeitpunkt wieder ans Licht der Öffentlichkeit
zu rücken. Doch nun, so schien es, war dieser
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