Bernstein Verschwörung
drei
Besucherstühle zurecht, die er im Halbkreis vor dem
Schreibtisch des Hauptkommissars aufbaute, weltmännisch auf
die klapprigen Sitzgelegenheiten deutete und sich dann selber einen
alten Hocker aus der Ecke hinter der Tür hervorholte, auf den
er sank. »Was soll das denn jetzt?«, grollte Ulbricht,
der sich im Nachdenken gestört fühlte. Er betrachtete die
drei Musiker, dann blieb sein Blick auf Heinrichs haften.
»Bilden wir jetzt einen Erzählkreis?« Heinrichs
errötete einmal mehr, und Ulbricht fragte sich, wie er den
Kerl irgendwann einmal auf Verbrecher loslassen sollte. So
höflich, wie er war, so unsicher und von Komplexen behaftet
war er auch. Vielleicht sollte er Heinrichs zu einem Seminar
für Konfliktbewältigung schicken.
Als Ulbricht keine
Antwort von seinem Assistenten erhielt, wandte er sich an seine
Besucher. »Okay, meinem Assi scheint es die Sprache
verschlagen zu haben. Also — wie ist der Stand der
Dinge?«
»Die
Phantomzeichnung der Leiche ist fertig«, berichtete Mehrmann
schließlich. »Aber wir sind uns nicht sicher, alles
exakt angegeben zu haben. Schließlich haben wir den Toten
nicht sehr lange und auch nur im Schein unserer Taschenlampen
gesehen.«
»Das wird
schon«, winkte Ulbricht gönnerisch ab. Heinrichs hatte
gut mitgearbeitet, das musste er sich heimlich eingestehen: Sein
Assistent hatte noch am Abend mit den Kollegen des
Landeskriminalamtes telefoniert und einen Mitarbeiter des LKA aus
Düsseldorf kommen lassen, der nach den Angaben der jungen
Männer ein Phantombild der verschwundenen Leiche angefertigt
hatte. »Und weiter?«
Nun war es Brille
Heinrichs, der sich räusperte. »Finkenrath vom
Erkennungsdienst durchforstet gerade die Datenbänke. Mal
sehen, ob der Tote bei uns aktenkundig ist.«
»Und wenn
nicht?« Mehrmann schob ein wenig trotzig die Unterlippe
vor.
»Das lassen Sie
mal unsere Sorge sein«, erwiderte Heinrichs ein wenig
arrogant. Dafür fing er sich gleich einen vernichtenden Blick
von Ulbricht ein. »Was mein Assistent meint, ist, dass wir
uns um den Fall kümmern.« Ulbricht beugte sich weit
über seinen Schreibtisch und betrachtete die ratlosen Mienen
der drei jungen Männer. »Und zwar so lange, bis er
geklärt ist. Es gibt einen Toten, und es gibt gewiss auch
einen Mörder. Wir werden die Sache aufklären.« Er
lächelte, als er sich erhob und die Musiker zur Tür
brachte. »Und sobald es Neuigkeiten gibt, werden wir Sie
informieren.«
»Bis dahin
halten Sie sich bitte zu unserer Verfügung und verlassen die
Stadt nicht.« Heinrichs linste tückisch durch die
Gläser seiner Brille.
Ulbricht gab ihm ein
Zeichen, endlich die Klappe zu halten, dann wandte er sich an die
drei jungen Männer. »Was mein Assi Ihnen sagen
möchte, ist, dass er Ihnen einen schönen Abend
wünscht.«
Sechs
Sedanstraße,
23.10 Uhr
Sie erwachte, als ihre
Schulter schmerzte. Mirja Blum richtete sich auf und stellte
schlaftrunken fest, dass sie auf dem Sofa eingenickt war. Der
Fernseher lief ohne Lautstärke; ein Privatsender wiederholte
einen Serienklassiker aus den frühen Neunzigern. Die junge
Frau richtete sich auf und spürte jeden Knochen, da sie in
verrenkter Haltung eingeschlafen war. Nun fiel der Spiralblock, der
auf ihrem Schoß gelegen hatte, zu Boden. Langsam nur kehrte
die Erinnerung zurück.
Alexander war noch
einmal losgezogen, weil er noch etwas erledigen musste, wie er ihr
berichtet hatte. Als sie allein war, hatte sie sich ein
Wellness-Programm gegönnt: Kerzen im Bad aufgestellt, eine
heiße Wanne mit extra viel Schaum, dazu ein Glas Rotwein und
ein gutes Buch. Als sie schläfrig geworden war, hatte sie sich
abgetrocknet, war in den flauschigen Bademantel geschlüpft und
hatte es sich im Wohnzimmer der kleinen Dachgeschosswohnung
gemütlich gemacht. Dann war ihr eingefallen, dass sie noch
für eine Klausur üben musste. Latein war nicht eben ihre
Stärke. Also hatte sie sich das Buch und den Block geholt, um
sich mit der aktuellen Thematik auseinanderzusetzen. Der Kopf hatte
ihr geraucht, und irgendwann war sie dann auf dem Sofa
eingeschlafen. Vielleicht hatte das auch am Wein gelegen, den sie
getrunken hatte, sie wusste es nicht. Als Mirja einen Blick auf die
Uhr im Display des DVD-Players warf, schreckte sie hoch.
Wahrscheinlich war Alexander längst zurück und hatte sie
schlafen lassen. Es war ihr ein wenig peinlich, dass sie
eingeschlafen war.
Eilig richtete sie
sich auf und verdrängte den Schmerz, der sie durchzuckte. Dann
wanderte sie
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