Bernstein Verschwörung
gewohnt war,
Befehle auszuführen. Ohne nach dem Warum zu fragen. Und gerade
das war es, was ihn so gefährlich unberechenbar für Mirja
machte. Langsam nur wurde ihr klar, dass hier zwei russische
Kampfmaschinen in ihrer Wohnung standen, die den Befehl eines
anderen auszuführen hatten. Dabei nahmen sie jedes Risiko in
Kauf, und Mirja konnte sich denken, dass den Männern ein
Menschenleben nichts wert war. Sie waren es offenbar gewohnt,
über Leichen zu gehen um an ihr Ziel zu kommen. Und Mirja
stand ihnen, auch das hatte sie begriffen, offenbar im
Weg.
»Welche
Unterlagen?« Die Worte des Drahtigen hallten in ihrem
brennenden Schädel nach. Sie blickte aus angsterfüllten
Augen zu den Männern auf. »Das weißt du ganz
genau.« Er trat mit der Spitze seiner Stiefel unter den
kleinen Wohnzimmertisch. Die Glasscheibe neigte sich, das, was auf
der Platte gestanden hatte, fiel zu Boden, bevor die Glasplatte
kippte und auf dem Boden in tausend Scherben barst. »Wir
wollen die Unterlagen, dann passiert dir nichts.« Nun legte
sich ein schmutziges Grinsen auf das unrasierte Gesicht des
Drahtigen. Der Hüne hatte sich desinteressiert abgewandt. Er
machte sich am Wohnzimmerschrank zu schaffen, öffnete
Türen und Schubladen, wischte mit dem Ärmel den Inhalt
der Schrankfächer heraus und verstreute den Inhalt der
Schubläden auf dem Fußboden, um mit den Schuhspitzen den
Inhalt zu durchwühlen. »Was machen Sie da?«,
gellte die Stimme der jungen Frau durch die Dachgeschosswohnung.
Anstatt eine Antwort zu geben, sprang der Drahtige mit einem
Hechtsprung auf sie und presste ihr die Mündung der Waffe an
die Schläfe, dass es schmerzte.
»Halt die
Schnauze«, zischte er gefährlich leise. »Oder
willst du die ganze Nachbarschaft auf uns aufmerksam
machen?«
Mirja schüttelte
stumm den Kopf. Tränen schössen in ihre Augen.
»Siehst du
— dann wäre es gut, wenn du uns hilfst. Also, wo sind
die Akten des Alten?«
»Welcher Alter?
Was für Akten?«, wimmerte Mirja völlig ratlos. Ihr
Stoßgebet, sie möge schnell aus dem schrecklichen
Albtraum erwachen, blieb unerfüllt. Sie hatte keine Wahl und
musste sich ihrem Schicksal fügen. »Verarsch uns nicht,
wir wissen, dass du hinter der Aktion steckst. Leider war Alexander
nicht schlau genug, um mit uns zusammenzuarbeiten. Und er war
ziemlich dumm, denn sonst wären wir jetzt nicht hier.«
Während er über ihr kniete, lachte er dreckig.
»Wenigstens hatte er Geschmack, dein Alexander.« Er
grinste sie lüstern an und presste die Waffe fester gegen ihre
Schläfe. Ein dumpfer Schmerzenslaut kam über Mirjas
Lippen. Sie sackte wimmernd zusammen, als er seine freie Hand an
ihre Kehle legte und brutal zudrückte. Machtlos musste sie mit
ansehen, wie der Hüne den Inhalt ihrer Schränke auf dem
Fußboden verteilte und ihn mit den Spitzen seiner
Springerstiefel durchsuchte. Offenbar fand er nicht das, was er
suchte, und je länger die Aktion dauerte, umso wütender
wurde er. Nachdem er im Wohnzimmer nicht fündig geworden war,
machte er sich an der Kommode im Flur zu schaffen. Obwohl Mirja ihn
vom Sofa aus nicht sehen konnte, hörte sie, was er tat. Er
kippte die Kommode um und schüttete die Dinge, die sich in den
Fächern und Schubläden befanden, auf den Boden.
»Siehst du«, grinste der Drahtige, dem es offenbar
gefiel, auf dem zierlichen Körper der jungen Frau zu hocken.
»Das alles könntest du abkürzen, wenn du uns ein
wenig helfen würdest.« Sein fauliger Atem schlug ihr ins
Gesicht, und sie wandte angewidert den Kopf zur Seite. »Ich
weiß nicht, was ihr sucht«, keuchte sie und rang nach
Luft.
Er holte aus und
verpasste ihr eine schallende Ohrfeige. Mirja glaubte, dass es ihr
den Kopf von den Schultern riss, als sie die Wucht seines Schlages
traf. Die Wange schien zu explodieren, und ein schriller
Schmerzenslaut kam über ihre Lippen. »Juri, hör auf
mit dem Scheiß!« Der Hüne war im Wohnzimmer
erschienen. Nun kannte Mirja den Vornamen ihres Peinigers. Er
unterbrach sofort sein Treiben und glitt von ihrem Schoß. Auf
russisch murmelte er kleinlaut eine Entschuldigung. Mirja rieb sich
die schmerzende Stelle im Gesicht und war froh, Luft zu bekommen.
Der Umstand, dass Juri die Waffe nach wie vor auf sie richtete,
hatte an Schrecken verloren. Längst hatte sie erkannt, dass
sie sich in einer Situation befand, in der sie froh sein konnte,
mit dem Leben davonzukommen.
Der
Klitschko-Verschnitt war im Nebenzimmer verschwunden, und Mirja
hörte,
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