Bernsteinaugen und Zinnsoldaten
Setz dich zu uns, wenn sie hier ist.“ Harkane winkte mit einer Hand, deren Nägel in allen Farben strahlten. „Kommt Schwestern, erst nach einem Drink macht das Tratschen so richtig Spaß.“
„Dieses kleine Luder.“
Soldat schenkte mit engstirniger Präzision die Drinks ein, bis er merkte, daß er die falsche Flasche erwischt hatte. Dann trank er sie fluchend alle selbst aus, einen nach dem anderen.
„Hallo, Maris.“
Er stieß das Tablett weg.
„Hallo, Maris.“ Finger tauchten vor seinem Gesicht auf. Er erstarrte. „He.“
„Brandy!“
Die Zecher an der Bar wandten sich um, sahen dann aber wieder weg.
„Brandy …“
„Na klar. Hast du mich nicht erwartet? Die anderen sind doch schon alle hier.“
„Ich weiß. Ich dachte … ich meine, sie sagten … vielleicht wärst du schon mit jemandem ausgegangen.“ Er versuchte, unbeteiligt zu klingen. „Und …“
„Also wirklich, Maris, wofür hältst du mich?“ Sie war beleidigt. „Ich wollte nur warten, bis sich alle anderen wieder beruhigt haben, damit ich dich ganz für mich allein haben kann. Hast du gemeint, ich würde dich vergessen? Treulose Tomate!“ Sie hob einen hellen, gut verschnürten Sack auf die Theke. „Schau, ich hab’ dir was mitgebracht, ein Geschenk!“ Sie riß die Verschnürung auf und goß den ganzen Inhalt zu einem unordentlichen Berg auf die Theke. „Bücher, Bänder, Plaketten, alles mögliche zum Anschauen. Du sagtest, du hättest die ganze Bibliothek schon fünfmal ausgelesen, daher habe ich überall gesammelt. Ein paar sind ganz neu … Gefallen sie dir nicht?“
„Ich …“ Er hustete. „Ich bin ganz durcheinander! Ich bin überwältigt. Noch nie hat mir jemand etwas mitgebracht. Danke. Vielen Dank. Und willkommen auf Neu-Piräus!“
„Ich freue mich, wieder hier zu sein!“ Sie streckte sich über die Bar aus, zog ihn an sich und küßte ihn. Sie trug einen neuen, mit Steinen eingelegten Gürtel. „Du siehst noch genauso aus, wie ich dich in Erinnerung habe.“
„Und du bist noch schöner geworden.“
„Schmeichler.“ Sie strahlte. Ihr äschernes Haar fiel ihr über die Brüste, die Linien ihres Gesichtes waren ein wenig tiefer geworden. Die quecksilbernen Augen nahmen alles amüsiert zur Kenntnis. „Ich werde heute einundzwanzig.“
„Ohne Flachs? Na, wenn das kein Grund zum Feiern ist. Möchtest du Brandy?“
„Hast du immer noch welchen?“ Sie riß die Augen auf. „Oh ja, wir sollten, so lange es geht, eine Tradition daraus machen.“
Er lächelte still vor sich hin. Sie stießen auf Geburtstage und auf die Sterne an.
„Nicht besonders viel los heute nacht, was?“ Brandy sah sich um und flocht Zöpfe in ihr Haar. „Nicht wie beim letzten Mal.“
„Kommt und geht. Ich hab’ immer ein paar Fischersleute hier, die achten die Traditionen … Und auf die Schiffsrouten achte ich schon lange nicht mehr.“
„Wir vertrauen ja unseren eigenen nicht mehr, die stimmen sowieso nie. Wir sind einen Monat zu spät angekommen.“
„Ich weiß … hab’ ich zufällig mitbekommen …“ Er schloß einen umgeknickten Einband und legte das Buch flach hin. „Wie hat dir eigentlich dein erster Quadrangel gefallen?“
„Wunderbar – oh, Maris, ich kann dir gar nicht genug erzählen! Die Stadt in den Wolken auf Patris, der Freihafen auf Sanalareta … und die Plejaden … und die tiefe Nacht, Feuer und Eis.“ Ihre Augen brannten durch ihn hindurch zur Ewigkeit. „Du kannst dir gar nicht vorstellen …“
„Das bekomme ich immer wieder zu hören.“
Sie suchte in seinem Gesicht nach Bitterkeit, fand aber keine. Er schüttelte den Kopf. „Ich bin ein Mann und ein Cyborg, und damit habe ich zwei Regeln der Liga gegen mich, die ich nicht ändern kann – warum also sollte ich etwas bedauern? Ich höre mir gern Geschichten an.“ Er verzog den Mund.
„Magst du Poesie?“
„Kommt drauf an.“
„Dann … darf ich dir meine zeigen? Ich schreibe an einem Zyklus über den Weltraum – vielleicht wird es eines Tages mal ein Buch. Ich habe sie noch niemandem gezeigt, aber wenn du magst …“
„Sehr gerne.“
„Dann werde ich sie suchen. Ich glaube, ich sollte wirklich an diese Feier teilnehmen, sonst werden sie mich noch für asozial halten …“ – sie blinzelte ihm zu – „… und dann werden sie anfangen, über mich zu tratschen! Wie in einer Kleinstadt, wir sind die schlimmsten Klatschbasen.“
Er lachte. „Du solltest mich nicht so desillusionieren. Bis später. Ah … soll ich
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