Bernsteinaugen und Zinnsoldaten
und ging den Hügel hinab, wo sie Y’lirr fand, der immer noch zusammengekauert dort lag, wo er sich hatte fallen lassen, als der Dämon seinen Namen ausgesprochen hatte. „Y’lirr?“ Sie berührte ihn mit dem Fuß. Erleichtert sah sie, wie er den Kopf hob, und fand ihren eigenen Unglauben in seinem Gesicht widergespiegelt, als er zu ihr aufsah.
„Meine Lady … hat er nicht …?“
„Nein, Y’lirr“, sagte sie sanft. Dann, etwas schärfer: „Natürlich nicht! Nun bin ich wahrhaftig die Dämonenbraut, nichts wird mir mehr im Wege stehen.“ Sie trat ihn wieder mit ihrem Fuß, dieses Mal fester. „Steh auf. Was habe ich hier vor mir, eine Meute zitternder Feiglinge, die den Morgen meines Triumphes zunichte machen wollen?“
Y’lirr erhob sich und strich über seine Kleidung. „Niemals, T’uupieh! Wir warten auf deinen Befehl … um zu Werkzeugen deiner Rache zu werden.“ Seine Hand umklammerte den Messergriff.
„Und auch mein Dämon wird zugegen sein.“ Der Stolz, den sie empfand, schwang auch in ihrer Stimme mit. „Holt einen Schlitten her und bereitet ihn vor. Und sag ihnen, sie sollen leise sein.“
Er nickte, und als er kurz den Dämon betrachtete, sah sie sowohl Furcht als auch Neid in seinem Blick. „Eine gute Nachricht.“ Er wandte sich ungewohnt brüsk ab, ohne sie nochmals anzusehen.
Sie hörte eine leise Unruhe unten im Lager und sah an ihm vorbei, da sie dachte, die Nachricht von dem Dämon hätte sich bereits verbreitet. Doch dann sah sie Lord Chwiul, der wie versprochen gekommen war und von ihren Leuten gerade zur Lichtung geführt wurde. Sie hob überrascht den Kopf – er war tatsächlich allein gekommen, aber er ritt ein Bliell. Das waren seltene und teure Reittiere, die einzigen Tiere, die sie kannte, die kräftig genug waren, eine so schwere Last zu tragen, und obendrein waren sie noch bösartig und tückisch und nur schwer abzurichten Sie beobachtete, wie es wild schnappte und seine Hufe Schlamm in alle Richtungen verspritzte. Sie grinste. Sie sah ebenfalls, daß die Eskorte sich tunlichst von den schweren Hufen fernhielt und die Speere gezückt hatte. Das Tier gehörte zu den Amphibien und war zu schwer, um jemals von seinen Flügeln Gebrauch machen zu können – wenn es schwamm, war es jedoch beweglich und gewandt. T’uupieh betrachtete rasch ihre eigenen Finger und Zehen mit den Schwimmhäuten und die Membranen an ihren Flanken, die ihren Körper nun nur noch Sekundenbruchteile in der Luft halten konnten. Sie fragte sich wieder, wie schon so oft zuvor, welch seltsame Züge des Schicksals sie alle verwandelt oder geformt hatten.
Sie sah, wie Y’lirr sich mit Chwiul unterhielt. Er zeigte zu ihr herüber. Sie sah sein Grinsen und Chwiuls bewundernden Blick, als er aufsah, und sie ahnte, daß Y’lirr gesagt hatte: „Sie kennt seinen Namen.“
Chwiul ritt näher zu ihr heran, und es gelang ihm, sein Gesicht unter Kontrolle zu halten, als er sich dem Dämon näherte. T’uupieh strich mit einer Hand behutsam – fast zärtlich – über seine juwelenbesetzte Seite. Ihr Blick wandte sich einen Augenblick von Chwiul ab, von einem Instinkt zum Himmel über ihm gelenkt, und einen winzigen Augenblick lang sah sie die Wolken aufbrechen …
Sie blinzelte, um es deutlicher zu sehen. Doch als sie wieder hinsah, war es verschwunden. Niemand sonst, nicht einmal Chwiul, hatte die kalte, grünliche Scheibe gesehen, die von einem silbernen und einem schwarzen Streifen durchzogen war: das Rad der Veränderung. Sie behielt ihre ausdruckslose Miene bei, doch ihr Herz raste. Das Rad wurde nur sichtbar, wenn eine einschneidende Veränderung im Leben einer Person kurz bevorstand – eine Veränderung, die üblicherweise den Tod bedeutete.
Chwiuls Reittier schlug plötzlich nach ihr aus, als sein Reiter es vor ihr zum Stillstand brachte. Sie behielt ihren Platz an der Seite des Dämons bei, doch etwas von dem schleimigen Speichel des Bliell tropfte auf ihren Mantel, als Chwiul an dem Zügel zerrte. „Chwiul!“ Sie ließ ihrem Zorn freien Lauf. „Haltet dieses sabbernde Untier unter Kontrolle, sonst werde ich es auf der Stelle totschlagen lassen!“ Ihre Hand ballte sich neben der glatten Haut des Dämons zur Faust.
Chwiuls Beinahe-Lächeln erstarb sofort. Er zerrte sein Reittier zurück und sah unbehaglich in das Glotzauge des Dämons.
T’uupieh atmete tief ein und lächelte nun ihrerseits. „Ihr hieltet es also nicht für nötig, allein zu meinem Lager zu kommen, mein Lord.“
Er
Weitere Kostenlose Bücher