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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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vor der Klippe gefangen war und weggetragen wurde … und sie sah drei Pfeile in seinem Rücken, bevor die Thermung ihn wieder losließ und er wie ein Stein niederstürzte. Sie lächelte und schloß die Augen.
    „T’uupieh! T’uupieh!“
    Sie öffnete sie blinzelnd wieder, als sie merkte, wie ihre Leute sich um sie versammelten. Y’lirr unterdrückte die Bewegung seiner Hand, die ihr Gesicht hatte berühren wollen, als sie die Augen öffnete. Sie lächelte ihm und auch ihren Leuten zu, aber nicht so, wie sie Chwiul zugelächelt hatte. „Y’lirr …“ Sie reichte ihm die Hand und ließ sich aufhelfen. Ihre Schürfwunden und Blutergüsse schmerzten bei jeder Bewegung, doch sie war sicher, daß die einzige Verletzung ein kleiner Riß in ihrem Flügel war. Sie preßte den Arm fest an ihre Seite.
    „T’uupieh …“
    „Meine Herrin …“
    „Was ist geschehen? Der Dämon …“
    „Der Dämon hat mir das Leben gerettet.“ Mit einer Bewegung brachte sie sie zum Verstummen. „Und – aus seinen eigenen Gründen – machte er Chwiuls Verschwörung zunichte.“ Erst jetzt wurden ihr langsam die Wirklichkeit und die möglichen Folgen der Ereignisse bewußt. Sie wandte sich um und sah lange in das starre Auge des Dämons. Dann ging sie mit steifen Bewegungen fort und sah über den Klippenrand hinab.
    „Aber der Vertrag …“, sagte Y’lirr.
    „Chwiul hat den Vertrag gebrochen. Er hat mir Klovhiri nicht ausgeliefert.“ Keiner protestierte. Sie spähte durch das Gestrüpp und erriet ohne große Probleme die Orte, wo Ahtseet und ihr Gefolge sich versteckt hatten. Sie konnte das klägliche Weinen eines Kindes hören. Chwiuls Körper lag unten am Boden, für alle deutlich sichtbar, und sie sah noch mehr Pfeile aus seinem Körper herausragen. Hatten Ahtseets Wachen ihn auch noch durchlöchert, weil sie ihn für einen Angreifer hielten? Der Gedanke erfreute sie. Und eine leise Stimme in ihrem Inneren flüsterte ihr zu, daß sie sich über Ahtseets Unversehrtheit sogar noch mehr freute … Plötzlich runzelte sie angesichts solcher Gedanken die Stirn.
    Aber Ahtseet wie auch Klovhiri waren entkommen – und diese Tatsache konnte sie sich durchaus zunutze machen, um soviel wie möglich aus der Situation herauszuholen. Sie wartete einen Augenblick, bis sie ihre wirren Gedanken etwas geordnet hatte. „Ahtseet!“ Ihre Stimme war nicht die des Dämons, doch sie hallte zufriedenstellend. „Ich bin es, T’uupieh! Siehst du den Leichnam des Verräters vor dir liegen – den Bruder deines Mannes, Chwiul? Er kaufte Mörder, um dich in den Sümpfen ermorden zu lassen – laß dir alles von deinem Führer erklären. Nur der Warnung meines Dämons verdankt ihr es, daß ihr alle noch lebt.“
    „Warum?“ Ahtseets Stimme zitterte leicht im Wind.
    T’uupieh lachte bitter. „Warum? Um die Straßen von Schurken zu säubern und den Oberlord dazu zu bringen, seine loyalen Diener noch mehr zu lieben und besser zu belohnen, liebe Schwester! Und damit Klovhiri mich hassen sollte. Möge es ihn innerlich zerfressen, daß ihr mir euer Leben verdankt. Zieht unbelästigt weiter durch mein Land, Ahtseet. Dieses Mal werde ich euch ziehen lassen.“
    Sie zog sich zitternd von der Klippe zurück, ohne sich darum zu kümmern, ob Ahtseet ihr glaubte. Ihre Leute standen wartend um den Kadaver des Bliell versammelt.
    „Was nun?“ fragte Y’lirr stellvertretend für alle und betrachtete den Dämon.
    Sie antwortete, doch ihre Antwort war direkt an das stumme Bernsteinauge des Dämons gerichtet. „Ich glaube, ich habe Chwiul die Wahrheit gesagt, mein Dämon. Nach dem heutigen Tag wird er sein Landhaus nicht mehr benötigen … Vielleicht wird der Oberlord dem Geschäft zustimmen. Vielleicht läßt es sich arrangieren. Das Rad der Veränderung trägt uns alle, aber nicht jeden mit derselben Leichtigkeit. Ist es nicht so, mein wunderbarer Shang’ang?“
    Sie strich sanft über seine vom Tageslicht angewärmte Haut und setzte sich auf den Boden, um seine Antwort abzuwarten.

 
Nachwort
     
    Bernsteinaugen ist eine Aschenputtel-Geschichte – wenn nicht im buchstäblichen, so doch im übertragenen Sinne. Ben Bova fragte mich, ob ich nicht die Titelgeschichte für die „Frauennummer“ von Analog, die im Juni 1977 erscheinen sollte, schreiben wolle. Der Termin, den er mir nannte, lag etwa einen Monat in der Zukunft. Ich war entzückt, gleichzeitig aber völlig aus dem Häuschen, denn ich schreibe sehr langsam, und gerade in dem Augenblick lauerte

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