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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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klingt wie Fingernägel, die über Metall scheuern.“
    „Orr kennt die Bedeutung des Wortes „aufgeben“ nicht.“ Albe Hyacin-Soong fing den Becher auf. „Es macht ihn doch gewiß wahnsinnig, daß er sich nicht vorstellen kann, wie diese kleinen, schuppigen Ratten in dieser Radioaktivität überleben können. Und in erster Linie, wie sie sich überhaupt entwickeln konnten …“
    „Er kennt die Bedeutung des Wortes ‚Gnade’ nicht.“ Xena Soong-Hyacin sah ihren Gatten düster an und verschränkte die Arme. „Warum betäubt er sie nicht?“
    „Komm schon, Xena“, sagte Corouda. „Das sind doch nur Tiere. Die spüren keinen Schmerz wie wir.“
    „Und was sind wir schon, Juah-u? Tiere, die versuchen, Gott zu spielen!“
    „Ich spiele nur Squamisch“, murmelte Albe.
    Corouda lächelte dünn, dann sah er von Xena weg zum Rand des Lagers. Nach ein paar Beschwerden hatte Orr sich gezwungen gesehen, sein Zelt entfernt von den anderen zu errichten. Auch Corouda freute sich darüber. Der Lärm störte ihn, er nahm das jedoch nicht persönlich. Forschung war nötig. Xena – wie jeder andere Wissenschaftler auch – mußte das akzeptieren. Doch die blutenden Herzen sind immer bei uns. Wie komfortabel, wie perfekt eine Gesellschaft auch wurde, es gab immer jemanden, der Fehler suchte, die er bemängeln konnte. Manche Leute konnten eben nie zufrieden sein. Er war froh, daß er nicht zu denen gehörte. Und auch, daß er nicht mit einer derartigen Person verheiratet war. Anders Albe, denn der hatte immer Spaß an einem guten Streitgespräch.
    „Als nächstes wirst du mir erzählen, daß er nichts spürt!“ trumpfte Xena auf.
    „Zügle deine Zunge, Xena. Er wird dich hören. Er ist dort drüben. Und gib nicht dem Falschen die Schuld, er hat damit nichts zu tun. Piper Alvarian Jary ist zum Leiden verurteilt.“
    „Er hat eine Gehirnwäsche hinter sich. Es ist, als würde man einen Gedächtnislosen peinigen. Er ist nicht mehr derselbe Mann …“
    „Ich will davon nichts mehr hören“, sagte Albe wenig überzeugend.
    Corouda schüttelte den Kopf und schob seine blonden Locken wieder unter die Mütze, wonach er sich tiefer in den Schatten hineinbegab. Sie saßen mit überkreuzten Beinen auf der weichen, braunen Erde, eine lässige Geste, die allen Wächtern eigen war. Er drehte den Kopf etwas, um Piper Alvarian Jary anzusehen, der wie immer allein auf dem Felsen in der Sonne saß, wie immer auch in Hörweite seines Meisters Hoban Orr. Piper Alvarian Jary, der sechs Jahre lang – sechs Jahre … war es wirklich schon sechs Jahre her? – seine Strafe im Simeu-Forschungsinstitut für Biomedizin absaß, eine Strafe, die sich angesichts seiner Sünden eher gering ausnahm.
    Nicht daß er jetzt wie ein Ungeheuer ausgesehen hätte, während er endlos mit den Steinchen spielte. Er trug einen einfachen, hellen Overall, der ungeachtet der Hitze bis in den Nacken zugeknöpft war, das dunkle Haar fiel ihm über die Stirn in das sonnengebräunte, ausdruckslose Gesicht. Er hätte irgendein Assistent sein können, der sich in dem Expertenkreis der Ökologen auf dieser noch nicht erkundeten Welt etwas unwohl fühlte. Er hätte jedermann sein können …
    Als er sich an die Narben erinnerte, die der Anzug wahrscheinlich verbarg, sah Corouda weg. Aber er war Piper Alvarian Jary, der den Diktator Naron unterstützt hatte, den Mann, der eines der blutigsten Regime in der langen Geschichte der Unmenschlichkeit gegenüber Menschen errichtet hatte. Es überraschte Corouda, daß Jary immer noch so jung aussah. Ein Leben als Handlanger des Simeu-Institutes ließ einen Mann normalerweise schnell altern. Vielleicht sitzt er deshalb in der Sonne. Vielleicht soll sie ihm das Gehirn ausbrennen.
    „ … deshalb wollte ich Wächter werden, Albe!“ Xenas beharrliche Stimme holte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. „Damit wir nicht an derartigen Dingen teilhaben müssen … damit ich nicht dauernd meinen Kopf gegen eine Mauer rammen muß, wenn ich an die Ungerechtigkeit und Gleichgültigkeit dieser Gesellschaft denke …“
    Albe griff zu ihr hinüber und hakte eine Haarsträhne hinter ihrem Ohr ein. „Aber du mußt zugeben, wir haben hier eine nicht unerhebliche Entdeckung gemacht. Immerhin ist es ein natürlicher Reaktor – eine so reichhaltige Anreicherung von Uranerz, daß die Fusion eingetreten ist. Auf der Erde geschah der einzig vergleichbare Fall Jahrmillionen bevor der erste Mensch kam, der es hätte sehen können.“ Er

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