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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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zwei Milliarden Sekunden hatte man im Himmel-System kein Schiff mehr gebaut, das sich die Atmosphäre eines Planeten zur Verlangsamung der Landegeschwindigkeit zunutze machen konnte, denn nach dem Krieg hatte keine Notwendigkeit mehr für ein solches Schiff bestanden – bis jetzt. Keine nuklearelektrische Rakete konnte die Beschleunigung verursachen, die für eine planetare Landung erforderlich war. Daher war dieses Schiff, das den nötigen Schub erzeugen konnte, um ihren Abstieg zu bremsen, aus Überbleibseln einer Überbleibseltechnologie in weniger als zwei Megasekunden Zeit zusammengebaut worden.
    Chaim las ihre Höhe und Fallgeschwindigkeit mit Instrumenten ab, die niemals auf sekundengenaue Präzision geeicht worden waren. Bei einer Geschwindigkeit von sechshundert Metern pro Sekunde umklammerte er die Konsole mit schweißfeuchten Händen und kämpfte gegen sein unerwartetes, ungewohntes Gewicht. Mythili steuerte sie auf das Funksignal zu. Der Bildschirm war in diesem Fall nutzlos, da er durch den Schein ihrer Raketen, die bei ihrem Fallwinkel blendeten, blind gemacht wurde. Jedesmal, wenn sie durch Turbulenzen der unsichtbaren Atmosphäre gebeutelt und vom Kurs abgebracht wurden, biß Mythili ein Keuchen oder Fluchen nieder.
    In einer Höhe von eintausend Metern begann sie mit der dritten Zündung. Chaim hob die Stimme, als der Lärm der Raketen lauter wurde: „… sechshundert Meter, zwanzig Meter pro Sekunde, fünfhundert Meter …“ – der Druck nahm zu – „… vierhundert Meter, achtzehn Meter pro Sekunde … dreihundert Meter … zweihundert … einhundert Meter, zehn Meter pro Sekunde …“ Sie nahm mehr Schub weg, ihre Fallgeschwindigkeit stabilisierte sich. „… fünfzig Meter, zehn Meter … Mythili, wir …“ Sie zündete den Bremsschub voll. Zehn Meter pro Sekunde schmetterten ihn in seinen Sitz nieder. Der Bildschirm war staubblind, das Schiff bebte, der Lärm machte jedes Wort unmöglich, Vibrationen brachten seine Zähne zum Klappern. „… sind zu schnell!“
    Dann pochte der Aufprall durch ihn hindurch, fast eine Antiklimax. Mythili unterbrach die Energiezufuhr, Sekunden verstrichen, bis er von der Stille Notiz nahm. Er blinzelte zum Bildschirm, wo immer noch Grau wogte, und richtete sich unter der ungewohnten Hand der Schwerkraft von seinem Sessel auf. „Meinen Glückwunsch“, sagte er schließlich atemlos und lachte. „Wir sind angekommen … Und ich konnte keine einzige Aufnahme von der Landung machen.“
    Sie erschlaffte, lachte aber mit ihm. „Wenn Sie gefilmt hätten, anstatt mir zu assistieren, brauchten wir uns jetzt darüber wohl kaum den Kopf zu zerbrechen.“
    Er beugte den Kopf. „Zu freundlich …“ Er berührte sie mit den Augen. Sie hielt seinem Blick lächelnd stand.
     
    „Bilde ich es mir nur ein, oder wird es tatsächlich kälter hier drinnen?“ Dartagnan betrachtete beim Sprechen seinen kondensierenden Atem. Er mühte sich mit seinem Raumanzug ab, denn er fühlte sich bleischwer und unbeholfen. Hinter sich konnte er Siamang in der engen Kabine nachdrücklich fluchen hören.
    „Das bilden Sie sich nicht ein. Die Atmosphäre verhält sich wie Wasser und leitet unsere gesamte Wärme durch die Hülle.“ Mythili massierte ihre Arme, während sie den Bildschirm studierte. „Siamangs Ingenieure hatten so etwas Ähnliches vorhergesagt.“
    Chaim sah die verlassene Kuppel der etwa einen Kilometer entfernten Experimentalstation auf der flachen, subpolaren Ebene. Der Bulk des Prospektorschiffes stand etwas näher. Wir beide haben eine bessere Landung hingelegt, als es uns eigentlich zugestanden hätte … Weit dahinter, am unglaublich fernen Horizont, konnte er Schnee und eine einsame Kraterlandschaft erkennen: die südpolare Eiskappe von Planet Zwei. Er stellte sich die unglaublichen Rohstoffvorräte vor, die diese Welt beherbergte, erinnerte sich dann aber unvermittelt wieder an die Macht der Atmosphäre.
    „Los doch, Red. Nehmen Sie Ihre Kamera, dann gehen wir. Deswegen sind wir schließlich hier!“ Siamangs Stimme klang fröhlich und zuversichtlich. Chaim verspürte unsägliche Erleichterung. Er hoffte, daß das Geschäftsgebaren Siamangs leichter zu filmen sein würde als sein Privatleben.
    „Ich komme, Boß … Wollen Sie nicht mitkommen?“ Er sah zu Mythili hinüber. „Die wenigsten Menschen sind auf einem Planeten spazierengegangen.“
    Mythili nickte. „Ich weiß. Aber ich muß im Schiff bleiben. Es wurde nicht für die Belastungen einer

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