Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
gesellschaftspolitische Agenda der Bundesrepublik wird von der Bertelsmann Stiftung entworfen. Diese ›gemeinnützige‹ und steuerbegünstigte ›Reformwerkstatt‹ stellt die erfolgreichste Public-Private-Partnership dar – nicht allein auf Firmenprofit, sondern zugleich auch auf gesellschaftliche Steuerung ausgerichtet. (…) die damit verbundene Steuerbefreiung wird unberechtigt in Anspruch genommen zu dem Zweck, mittels steuerfinanzierter privater Politikberatung unter Umgehung demokratischer Willensbildung durch öffentlichen Diskurs in den verfassungsrechtlichen Organen eine Umgestaltung des Gemeinwesens nach den Vorstellungen des Stifters Reinhard Mohn durchzuführen (›Bertelsmannrepublik‹, Refeudalisierung). Diese Vorstellungen und ihre Umsetzung durch ›steuerbegünstigte Politikberatung‹ gründen sich ausschließlich auf privaten Reichtum und Vermögen), so dass man von einer Privatisierung der Politik auf Kosten der öffentlichen Kassen sprechen kann.« 2
Die Politikberatung sei nicht vereinbar mit dem Kriterium der »Förderung der Allgemeinheit«. Die mit der sogenannten Politikberatung im kommunalen Bereich praktizierte, völlig intransparente Privatisierung öffentlicher Aufgaben könnte den Tatbestand der Vorteilsnahme in Form sogenannten »Anfütterns« beziehungsweise der »Klimapflege« erfüllen, insbesondere wenn damit die Akquisition von Folgeaufträgen für die Bertelsmann AG oder deren Tochtergesellschaften begünstigt wird. Im übrigen sehe das Grundgesetz eine Timokratie, also eine nicht demokratisch legitimierte Beeinflussung der Tagespolitik durch »Herrschaft des Geldes«, nach einem Stifterwillen und einen hierdurch forcierten Systemwechsel nicht vor.
Für die Autoren liegt auf der Hand, dass die Art der intransparent verflochtenen wirtschaftlichen Dienstleistungen der Stiftung »in der besonderen Form des trojanischen Marketings keine selbstlose Tätigkeit sind«, wie es die Satzung verspricht. Entsprechendes gelte für die massive Verflechtung zwischen Stiftung und Aktiengesellschaft im Führungspersonal. Die Verflechtung sei mit der Ausschließlichkeit der Gemeinnützigkeit unvereinbar. Die Grundlage für die Gemeinnützigkeit liege demnach nicht mehr vor und deshalb sollte sie aberkannt werden.
Ihr Gutachten veröffentlichten die Autoren am 4. Februar 2009 in der Online-Zeitung Neue Rheinische Zeitung , die sich in der Tradition von Karl Marx sieht. Ihr Papier nennen sie »Expertise«; für die Stiftung ist es dagegen ein »Pamphlet«. Die Autoren bezeichnen sich als unabhängig – eine subtile Form der Ironie, mit der sie der Stiftung zeigen, dass der Verweis der Stiftung auf ihre Unabhängigkeit im Grunde nichts bedeutet. Gunter Thielen stellte ihre Unabhängigkeit auch prompt infrage.
Die Autoren mögen Juristen sein, aber sie sind keine Stiftungsexperten. So wussten sie vermutlich nicht, dass Stiftungen bis zu einem Drittel ihrer Erträge für die Versorgung des Stifters und seiner Nachkommen einsetzen dürfen, ohne die Gemeinnützigkeit zu verlieren. Sie beklagen, dass die Satzung hinsichtlich des Zweckes zu ungenau sei und außerdem geändert werden kann. Beides liegt jedoch prinzipiell im Rahmen der Genehmigungspraxis und Änderungen sind üblich. Was die Autoren nicht detailliert genug ansprechen, sind Fülle und Beliebigkeit der Änderungen, die vorgeben, der Stifteridee zu dienen, aber in Wirklichkeit eine radikale Umkehr gegenüber der ursprünglichen Idee und Gestaltung der Stiftung darstellen. So hatte, wie bereits angesprochen, ursprünglich die Familie nichts zu sagen, nun kann Liz Mohn praktisch alles ändern. Problematisch ist auch die Vererbung der Stifterrechte an die Familie – und das für alle Zeiten. Aber diesen Punkt sprachen die Juristen nicht an.
Der Vorstand würde die Kritik gerne ignorieren, aber das ging nicht mehr. Die eigenen Mitarbeiter forderten ihn auf, Stellung zu beziehen und sich mit der Kritik auseinanderzusetzen. Die Stiftung geriet auch deshalb unter Druck, weil die führende Lokalzeitung in Gütersloh, die Neue Westfälische , ausführlich auf die Positionen der Kritiker einging und von der Stiftung Antworten forderte.
Daraufhin verteidigte Thielen die Stiftung pauschal in einem Interview, das am 19. Februar 2009 in der Neuen Westfälischen erschien: »Das ist kein Urteil von Fachleuten. Dieses Papier ist in allen Punkten falsch und interessengeleitet.« 3 Priehn sei von der Rosa-Luxemburg-Stiftung finanziert. Mit der Spitze
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