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Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Titel: Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schuler
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der Gewerkschaften sei man täglich im Gespräch. Der Vorwurf, die AG profitiere von der Arbeit der Stiftung bei der Privatisierung von Verwaltungen, sei konstruiert. »Die Stiftung vertritt einen ganz anderen Standpunkt. Wir schlagen kein Outsourcing vor, um Kommunen effizienter zu machen, sondern beispielsweise die Bündelung der Aufgaben mehrerer Kommunen an einer Stelle.« Eine Ausrede, denn in Wirklichkeit mischen und gleichen sich die Ansätze von AG und Stiftung (vgl. Kapitel 7).
    Der Ausstieg aus dem Themenfeld Medien und der Abbruch der Reform der Rundfunkordnung, der 2002 nach heftiger Kritik erfolgt ist, sei richtig gewesen, sagte Thielen. Heute aber liege kein derartiger Interessenkonflikt vor. »Ich sehe nicht, dass wir heute solche Interessenkonflikte mit unseren und den Themen der AG haben.« Sonst müsste die Stiftung 60 Prozent ihrer Arbeit einstellen. »Das geht nicht«, sagte Thielen. »Und ich lege meine Hand ins Feuer, dass die AG nicht einen Euro durch die Stiftung und deren Projekte verdient hat.« Die Kritiker aus den Reihen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft seien »ideologisch festgelegt«. »Ich versichere Ihnen, dass es keine Stiftung in Deutschland gibt, die genauer darauf achten kann, dass sie nicht gegen das Gemeinnützigkeitsrecht verstößt, als wir. Bevor wir ein Projekt starten, wird die Themenstellung auf diesen Aspekt durchleuchtet. Zudem werden wir von der Stiftungsaufsicht und den Finanzbehörden überprüft. Da sind wir klinisch rein.«
    Die beiden Journalisten Stefan Brams und Bernhard Hänel, die das Interview mit Thielen führten, waren skeptisch und gaben ihm zu bedenken: »Ihre Kritiker bezweifeln doch gar nicht Ihr Finanzgebaren, sondern zweifeln Ihre Gemeinnützigkeit an, weil Sie so eng mit dem Konzern verquickt seien und Politikberatung betrieben.« Thielen antwortete: »Wir machen kein Politikconsulting. Wir machen lediglich Vorschläge, was und wie man Dinge besser machen könnte in der Gesellschaft.« Als würden Berater im Consultinggeschäft Dinge durchsetzen – Thielen konstruierte einen Unterschied, wo keiner ist. Er behauptete indes, beides ließe sich »ganz sauber« trennen. »Die Dinge sind klar: Wir nehmen keine Arbeitsaufträge von Politikern an. Sie werden kein einziges Projekt bei uns finden, das auch nur im Ansatz so zustande gekommen ist. Unsere Projektergebnisse stellen wir grundsätzlich jedermann zur Verfügung – und zwar zeitgleich.« Kein einziges Projekt? Entgegen Thielens Versicherungen kamen in der Realität Anstöße immer wieder von beiden Seiten – nicht nur bei gemeinsamen Projekten mit dem Bundespräsidenten. Thielen aber sagte: »Wenn uns jemand nachweisen kann, dass wir uns nicht nach Recht und Gesetz verhalten, würden wir das ändern.«
    Der Forderung nach einer stärkeren Unabhängigkeit von der Familie Mohn erteilte er eine Absage: »Sowohl der Bertelsmann-Konzern als auch die Bertelsmann Stiftung sind sozusagen Kinder Reinhard Mohns. Es ist das gute Recht der Stifterfamilie, in beiden Bereichen tätig zu sein.« Während Heribert Meffert also Liz Mohns Ämterhäufung, mit der sie praktisch die Kontrolle über ihr eigenes Agieren ausübt, noch als Schönheitsfehler bezeichnete, beharrte Thielen darauf, dass Liz Mohn diesen Einfluss zu Recht ausübe. Das Stiftungsrecht gestatte diese Doppelfunktion. Die Journalisten fragten Thielen, ob er denn die Kritik in irgendeinem Punkt ernst nehme. Thielen antwortete darauf: »Wir nehmen Kritik grundsätzlich ernst und setzen uns mit ihr auseinander. Aber wir wollen Veränderungen anstoßen, da muss man mit Kritik leben.« 4
    Es stellt sich die Frage, ob die Gemeinnützigkeit der Stiftung tatsächlich gefährdet ist. Die Stiftung steht in ständigem Austausch mit der Stiftungsbehörde und hochbezahlten Fachanwälten, die die Konstruktion verteidigen. Es ist die Geschäftsgrundlage, die die Politik gesetzlich genehmigt hat. Wie Gerichte entscheiden würden, wenn jemand gegen diese Art von Gemeinnützigkeit Klage erheben würde, ist eine andere Sache. So wie die Bertelsmann AG das Verständnis von Gemeinnützigkeit zu ihren Gunsten auslegt, so könnte es freilich auch völlig anders ausgelegt werden. Das spüren auch die Mitarbeiter der Stiftung.

Es rumort im Inneren der Stiftung
    Der Zeitpunkt des Interviews mit Gunter Thielen war kein Zufall, denn am selben Tag diskutierten die 320 Mitarbeiter der Stiftung mit ihrem Vorstand über die Kritik von außen. Die Stimmung war selten so

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