Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
geladen wie in diesen Tagen. Nun folgte auf die Kritik von außen also auch die Kritik von innen. Der Druck auf den Vorstand nahm damit zu. Die Mitarbeiter waren tief verunsichert. Auf sechs Seiten listete der Personalrat der Stiftung die rund achtzig Fragen der Mitarbeiter an den Vorstand auf.
Die Mitarbeiter forderten eine Reform der Reformwerkstatt und schrieben: »Die Stiftung muss sich wandeln. Vom Showroom für die Reichen und Mächtigen zurück zu den Wurzeln – zu einer Besinnung auf die Prinzipien und Werte ihres Stifters Reinhard Mohn. Zu seiner Zeit gab es niemanden, der uns die Gemeinnützigkeit hätte aberkennen wollen.« Die Fragen sind mehr als Fragen. Sie liefern eine Zustandsbeschreibung der Stiftung, die eine tiefe Verunsicherung verrät und die Kritik von außen spiegelt. Die Mitarbeiter benennen in ihren Fragen einen Mangel nach dem anderen. Es werden diverse Fragen und Statements geäußert:
»Wie will der Vorstand das Chaos in den Arbeitsstrukturen und vor allem in den Köpfen der Mitarbeiter beseitigen?« – »Offensichtlich gibt es auch innerhalb des Vorstandes gravierende Meinungsverschiedenheiten – der Flurfunk funktioniert besser als die offizielle Kommunikation!«
Es werden auch Fragen gestellt, die sich direkt an den Vorstand richten, beispielsweise:
»Herr Thielen, wohin möchten Sie die Stiftung führen? Was tut der Vorstand dafür, dass die Mitarbeiter ihre Stiftung wieder mit Freude und ganzem Herzen nach außen vertreten können? Die Strategien des Vorstands werden nicht oder nicht nachvollziehbar kommuniziert. Wo soll die Reise hingehen? Internationalisierung ja oder nein. Niemand blickt mehr durch. Nicht alles lässt sich mit der Wirtschafts- und Finanzkrise begründen. Zurzeit haben viele von uns den Eindruck, dass der Vorstand – wenn überhaupt – nur durch die Aktivitäten einzelner Personen in Erscheinung tritt, aber nicht als verantwortliches und aktiv leitendes Gremium unserer Stiftung.«
Eine Reihe von Fragen beziehen sich auf die Effektivität und Effizienz der Arbeit der Stiftung:
»Die Reibungsverluste durch die hohe Anzahl von Programmen führen offensichtlich zu erheblichen Effizienzverlusten, ohne dass daraus spürbare Vorteile erwachsen. Dies gilt für die Arbeit innerhalb der Stiftung ebenso wie für die Außenkommunikation.«
»In vielen Programmen tritt die Bertelsmann Stiftung mit der Forderung an ihre Partner (zum Beispiel Ministerien), ressortübergreifend zu arbeiten. In der Stiftung erfolgt die ressortübergreifende Zusammenarbeit nur dann, wenn einzelne Direktoren sich dafür engagieren – eine systematisch angelegte Kooperation, die der Vorstand einfordert und nachhält, gibt es jedoch nicht. Ein Grund dafür scheint die Profilierung der einzelnen Programme und Projekte nach innen und außen zu sein. Warum wird die Zusammenarbeit der Programme (auch vorstandsübergreifend) nicht stärker forciert? Hat der Vorstand vor, das in Zukunft zu ändern? Wenn ja: wie?«
»Wir leben in sehr bewegten Zeiten – zur Zeit ganz besonders. Aber wäre nicht ein wenig mehr Kontinuität und Verlässlichkeit der internen Strukturen für eine effektive Projektarbeit und für die Motivation der Mitarbeiter förderlich und sogar notwendig?«
Die Fragen zur Effektivität und Effizienz der Organisation bestätigen die Erfahrung von Gerd Wixforth. Ausgerechnet das Zauberversprechen, mit dem die Stiftung ihre Rezepte begründet, die Steigerung der Effizienz, gilt offenbar nicht für sie selbst. Die Mitarbeiter spüren den Widerspruch.
Weiterhin werden Fragen zum Führungskreis und zur strategischen Ausrichtung der Stiftung gestellt:
»Stimmt es, dass die Mitglieder des FK (Direktors) alle einen Dienstwagen bekommen? Wenn ja, möchte ich anregen, dass im Zuge der Sparmaßnahmen auf diese – arbeitsplatzbezogen ohnehin nicht nachvollziehbare – Wohltat verzichtet wird.«
»Wird es einen inhaltlichen Richtungswechsel hin zu ›softeren Themen‹ (Religion, Musik) geben? Will die Stiftung weiterhin kontroverse Themen bearbeiten oder nur noch ›Schönwetterthemen‹? Die Auswahl der strategischen Schwerpunkte des Bereichs Kommunikation lassen Letzteres vermuten. Auf unserer Homepage ist zu lesen: ›Die Bertelsmann Stiftung engagiert sich in der Tradition ihres Gründers Reinhard Mohn für das Gemeinwohl. Fundament der Stiftungsarbeit ist die Überzeugung, dass Wettbewerb und bürgerschaftliches Engagement eine wesentliche Basis
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