Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
hat?«
In der Frage liegt bereits die Antwort über den Verlauf der Mitarbeitersitzung. Der Vorstand nimmt die Fragen zur Kenntnis. Antworten, die zufriedenstellen und über die Aussagen des Interviews mit Thielen hinausgehen, hat er nicht. Die meisten der Fragen bleiben letztlich unbeantwortet. Eines aber machen sie deutlich: Bemerkungen, die Stiftung sei zu einem »Showroom der Reichen« geworden, Fragen nach Dienstwagen und Strategie und der Vorwurf der Orientierungslosigkeit zeigen, dass selbst Mitarbeiter die Kritik von außen teilen. Sie sind durch die inhaltliche Leere der Stellungnahmen der Stiftung und den gebetsmühlenartigen Verweis auf die Rechtslage beunruhigt.
Als die Stiftung Ende April 2010 ihre Jahrespressekonferenz abhielt, sagte Gunter Thielen sinngemäß: Wenn der Stiftung die Gemeinnützigkeit aberkannt werde, dann machen wir eben ein Profitcenter daraus. Die Bemerkung sei flapsig gemeint gewesen, wie man bei Bertelsmann versichert. Es gebe kein Ausstiegsszenario, keine Überlegungen zur Fortführung des Instituts und Thinktanks jenseits der Gemeinnützigkeit. Ihre Aberkennung würde das Ende der Bertelsmann Stiftung bedeuten. Dieses Szenario muss die Stiftung jedoch nicht wirklich fürchten. Viel problematischer ist die anhaltende Kritik. Was, wenn sie dazu führt, dass Politiker auf Distanz gehen? Das Bundespräsidialamt zögere bereits, heißt es in der Stiftung. Was, wenn der engste politische Verbündete auf Distanz geht? Die vielen Fragen der Mitarbeiter machen eines überdeutlich: Der Vorstand der Stiftung hat nicht nur im Lande, sondern auch bei den eigenen Mitarbeitern viel Vertrauen verspielt.
Haben die Kritiker etwas bewirkt? An grundsätzlichen Problemen hat sich nichts geändert. Die Hinwendung zu softeren Themen bei Projekten wie »Alle Kids sind VIPs«, die das Thema Integration in schöne Bildern umsetzt, zeigt den Kurs der Stiftung: weiterhin in entscheidenden Fragen nicht transparent.
Epilog: Unbequeme Wahrheiten
»Es entspricht menschlicher Wesensart, Anteil zu nehmen und sich zu engagieren, um Not zu lindern und Missstände zu beseitigen.« Mit diesen Worten beschrieb Reinhard Mohn 1998 die Aufgabe von Stiftungen im Handbuch Stiftungen , das die Bertelsmann Stiftung 1998 und 2003 herausgab. Eine operative gemeinnützige Stiftung arbeitet Mohn zufolge unter eigenen Prämissen, aber »ausschließlich im Sinne des übergeordneten Gesellschaftsinteresses«. Er betonte: »Sie braucht keine Abhängigkeiten zu fürchten und sie darf es wagen, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen.« Und: »Der Stiftung geht es nicht um materielle Vorteile, sondern um den gesellschaftlichen Fortschritt.« Mohn formulierte hehre Ziele. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? Wer bestimmt, was Fortschritt ist? Agiert sie wirklich ausschließlich gemeinnützig?
Eine für Mohn unbequeme Wahrheit, die dem Gesagten widerspricht, liegt bereits in dem Zweck, den die Bertelsmann Stiftung nach seinem Willen auch erfüllen soll: Sie dient dem Erhalt des Unternehmens. Erhalt heißt im unternehmerischen Verständnis der Mohns und der Bertelsmann-Manager: Wachstum, das sich aus Gewinnen finanziert, die eigentlich der Stiftung und damit der Allgemeinheit zustehen. Ohne Stimmrecht kann diese die Auszahlung dieser Gewinne jedoch nicht einfordern.
Reinhard Mohn fand in den fünfziger Jahren eine Steuerlücke, die ihm erlaubte, sein Unternehmen aufzubauen. Als der Staat diese Lücke schloss, fand Mohn neue legale Möglichkeiten, Gewinne im Unternehmen zu behalten. Die Stiftung ist so eine Möglichkeit. Sie funktioniert wie eine Sparbüchse und erhält nur einen Teil der Gewinne. Viele Millionen bleiben im Unternehmen. Höhe und Verteilung der Gelder bestimmt die Familie Mohn, die die Stiftung und ihr Vermögen unter Kontrolle hat. Verrechnet man die Steuererleichterungen und Ersparnisse mit den Ausschüttungen, dann zeigt sich, dass die Mohns die Stiftung de facto mit öffentlichem Geld betreiben. Das ist unternehmerisch geschickt, moralisch ist es jedoch fragwürdig, zumal die Stiftung keine Fördergelder verteilt, sondern die Interessen der Familie Mohn vertritt. Sie dient Mohns Idee, die Gesellschaft wie ein Unternehmen zu führen und durch Unternehmen führen zu lassen. Wettbewerb und Privatisierung sind ihre Leitgedanken und manchmal wirkt es, als würde sie dem eigenen Unternehmen zuarbeiten und verfolge dessen Interessen. Die Stiftung bestreitet dies, ohne die Vorwürfe entkräften zu können. Und
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