Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
angesichts seiner konstitutionellen Kompetenzarmut das Wort ist, erscheint geradezu prädestiniert, die wachsenden Repräsentationsdefizite des politischen Systems auszufüllen.« Machtpolitisch sei das Amt »leichtgewichtig«. Mit anderen Worten: Der Bundespräsident hat kaum etwas zu entscheiden.
Ist er für eine Stiftung, die etwas erreichen möchte, deshalb uninteressant? Oder macht ihn seine Position gerade interessant? Die Bertelsmann Stiftung entschied sich für Letzteren und machte den Bundespräsidenten zu ihrem wichtigsten Verbündeten. Immerhin gilt sein Amt als unabhängig. Es verleiht allen Legitimation, mit denen der Amtsinhaber zusammen arbeitet.
Bundespräsident Karl Carstens schreibt das erste Grußwort
Lange bevor seine Stiftung politischen Einfluss nahm, wusste Reinhard Mohn um die Bedeutung der Legitimation durch das Staatsoberhaupt. Bereits im ersten Tätigkeitsbericht der Stiftung, der 1982 fünf Jahre nach der Gründung der Stiftung erschien, bat Mohn den damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens um ein Grußwort. »Es ist eine erfreuliche Beobachtung, dass die Leistung von Stiftungen in der Öffentlichkeit in zunehmendem Maße ihre verdiente Würdigung erfährt«, schrieb Carstens damals.
Das Besondere einer Stiftung liege darin, »dass sie Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens fördert, die durch den Staat und die öffentliche Hand – jedenfalls nach Meinung des Stifters – nicht ausreichend berücksichtigt werden. Der staatlichen Förderung haben Stiftungen voraus, sich auf einen bestimmten Zweck konzentrieren zu können. Sie sind nicht in der Weise an das in der Verfassung verankerte Gleichheitsprinzip gebunden wie der Staat. Zugleich können sie gewiss weniger bürokratisch handeln. Sie können Entscheidungen in Tagen treffen, zu denen die staatliche Verwaltung Monate oder vielleicht Jahre benötigen würde.«
Ob bewusst oder nicht, im folgenden Satz schrieb Carstens eine Wahrheit, die bis heute ihre Gültigkeit hat. Eine Wahrheit, die sich so leicht dahinsagt, die selbstverständlich und zugleich unbedenklich schien. Eine Wahrheit aber auch, die – vor allem im Rückblick 25 Jahre später – auf eine einfache und zugleich hintergründige Art das Besondere an der Arbeit der Stiftung beschreibt: »Vor allem aber kann sich in der Stiftung die Persönlichkeit des Stifters entfalten.« Carstens schrieb: »Er hat die Möglichkeit, im Rahmen der geltenden Gesetze Einfluss auf das gesellschaftliche Leben und seine zukünftige Entwicklung zu nehmen.« Ob Carstens ahnte, wie sehr Mohn Einfluss auf diese Gesellschaft nehmen würde? Wohl kaum. Jedenfalls lag seiner Aussage ein rundum positives Bild der Stiftung zugrunde – wie es auch seine Nachfolger pflegen.
Johannes Rau, Amtsinhaber von 1999 bis 2004, hielt ebenfalls engen Kontakt zur Bertelsmann Stiftung. Er kannte Bertelsmann bereits gut als junger Buchhändler, der beinahe für den Verlag gearbeitet hätte, und späterer NRW-Ministerpräsident. Als Bundespräsident startete er mit der Stiftung unter anderem einen Ideenwettbewerb zur Integration von Zuwanderern und hielt am 13. März 2002 die Festrede zum 25-jährigen Bestehen der Stiftung. »Sie haben Vorschläge gemacht und wir haben sie angenommen. Auf diese Weise wären wir beide geehrt«, sagte Rau damals.
Raus Nachfolger Horst Köhler gründete mit der Bertelsmann Stiftung 2005 das Forum Demografischer Wandel, das seine ganze erste Amtszeit umfasst. Jedes Jahr hielten Bundespräsidialamt und Bertelsmann Stiftung eine Konferenz ab. An der Seite des Bundespräsidenten saß dann Liz Mohn, deren Stiftung die Konferenz mit 350.000 Euro finanzierte. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung fragte das Bundespräsidialamt 2007, ob es die Konferenz nicht alleine finanzieren könne? »Schwerlich«, lautete die Antwort: An der »langjährigen Expertise einer zivilgesellschaftlichen Stiftung« liege Horst Köhler viel.
Noch kurz vor seinem Rücktritt Ende Mai 2010 erhielt die Stiftung Köhlers Zusage für ein neues Projekt, das die Stiftung als Stütze der Demokratie legitimieren sollte. Das Modellprojekt soll Bürger an der politischen Meinungsbildung beteiligen. Insgesamt sollen dabei 10 000 Bundesbürger in 25 Städten und Kreisen bis Mai 2011 gemeinsam diskutieren und ein Bürgerprogramm erarbeiten, wie das gesellschaftliche Zusammenleben bei wachsender Vielfalt der Gesellschaft gestaltet werden soll. Im Kern, so eine Pressemitteilung der Stiftung, »wird es dabei um die Frage
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