Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
oh - oh, oh, oh!« Strophe sieben endet »ruck-artig«: »Trotz alledem, Mister President/wird det in Berlin ’n dolles Ding, shingeling/Und jetzt ist Schluss, Mister President/Trinken wir darauf noch einen Schluck, ruck, ruck, ruck!«
Jochum spricht bei dieser Gelegenheit mit dem Welt -Journalisten auch über seine Mitarbeit an der Ruck-Rede: »Anfang des Jahres sollte ich eine Übersicht kommentieren, auf der die wichtigsten Themen, die der Bundespräsident im Laufe des Jahres öffentlich ansprechen sollte, aufgelistet waren. Mir schienen die Vorschläge zu wenig konkret, etwas akademisch. Ich habe dann notiert, es müssten Dinge angesprochen werden, bei denen tatsächlich ein Ruck durch’s Land geht.« Diese Formulierung, sagt Jochum, sei dann irgendwie in den weiteren »Geschäftsgang« der »Ruck«-Rede eingegangen.
Kann das sein? Ein Mitarbeiter der Bertelsmann Stiftung erfindet das Schlagwort, das die Politik und das ganze Land jahrelang beschäftigen wird und die Stiftung als eine Art öffentlichen Auftrag aufgreifen darf – versehen mit den höchsten Weihen des Bundespräsidenten? Den Start zur Reform des Arbeitsmarktes, zur Wende an der Spitze der Regierung und zum größten Umbau des Sozial- und Arbeitsmarktes seit der Gründung der Republik? Es wäre übertrieben zu behaupten, ein einzelner Mitarbeiter der Bertelsmann Stiftung habe all das angerührt und in die Wege geleitet.
Vielleicht ist mit dem Bandleader an jenem Abend im Schloss Bellevue einfach die Musik durchgegangen. Vielleicht machte ihn die Feierstimmung gesprächig. Immerhin aber sagte er dies in einem Kreis von Leuten, die ihm deutlich hätten widersprechen können. Ein Dementi von Jochums Rolle ist nicht bekannt.
Eine Forschungsarbeit als Deckmantel für politische Einflussnahme?
Verfolgt man, was letztlich aus Jochums Buchprojekt geworden ist, liegt die Annahme nahe, dass es der Stiftung primär um den Zugang zur Politik und nicht um die Studie ging. Weder Staudacher noch Weidenfeld waren wirklich glücklich mit dem Ergebnis, wie sich Staudacher erinnert. »Weidenfeld musste das ja verantworten. Immerhin hatte er einen Mitarbeiter vier Jahre lang bezahlt.« Wie viel, das kann Staudacher nicht sagen und die Stiftung lehnt es ab, eine entsprechende Anfrage zu beantworten. Staudacher hatte mit dem Buchprojekt Jochums auf eine große Würdigung Herzogs gehofft. Doch Jochum schwankte in seinem Konzept. Sollte er eine Habilitationsschrift erarbeiten oder eine marktgängige Biografie? Am Ende brachte er keines von beidem zuwege. Statt eines Buches lieferte er nur eine Zusammenfassung, die intern als Broschüre bezeichnet wurde. »Das war nicht ganz das, was wir uns vorgestellt haben«, sagt Staudacher.
Jochum veröffentlichte seine Arbeit im Jahr 2000 und betitelte sie Worte statt Taten. Der Bundespräsident im demokratischen Prozess der Bundesrepublik Deutschland . Sie umfasst 88 DIN-A4-Seiten. »Politiker misst man nicht an Worten, sondern an Taten«, fasst Jochum zusammen. »Eine Ausnahme ist der Bundespräsident: Da ihn das Grundgesetz zur ›Tatenlosigkeit‹ verurteilt, ist er der einzige deutsche Politiker, bei dem man akzeptiert, dass sich seine Taten auf Worte beschränken. So kann er durch die Praxis nicht widerlegt werden.« 14
Verglichen und gemessen an Baring ist Jochum gescheitert. Dabei hätte auch er einen Machtwechsel beschreiben können – den Machtwechsel von Helmut Kohl zu Gerhard Schröder, von der Union zu Rot-Grün. Die Vorboten des Wechsels finden sich in der Ruck-Rede von Herzog. Doch Jochums Studie ist kein besonders aufregendes Werk. Sie lotet weder das ganze geschichtliche Potenzial des Amtes und seiner Herkunft aus noch berichtet sie viel aus der Amtszeit von Herzog. Dabei müsste es doch für einen Wissenschaftler, der einem Politiker und seinem Apparat derart nahe kommt, gelingen, etwas Bleibendes zu schaffen – vor allem, weil er die Politik und ihre Abläufe mit einem distanzierten Blick betrachten konnte. Wieso ist das Jochum nicht gelungen? Die Antwort könnte lauten: Das war nie Absicht des Forschungsprojekts. Stattdessen ging es offenbar darum, Zugang zum Bundespräsidenten und seinen Beratern, allen voran zu seinem Staatssekretär Wilhelm Staudacher, zu erhalten.
Es gab keine Besprechungen, keine Zeitung nahm von der Studie Notiz. Jochum selbst hatte vor der Veröffentlichung der Studie lediglich in der FAZ einige Ergebnisse dargelegt und wurde im Laufe der Jahre als Experte zu seinen
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