Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
den 14 Mitgliedern seiner Kommission, ins Kanzleramt, ins Wirtschaftsministerium, zur Geschäftsstelle der Kommission, zu den Ländern und Kommunen, zu den Sozialpartnern (wie IG Metall und ver.di), zur Presse und zur Bundesagentur für Arbeit. Mehrfach hat Schmid den Einfluss der Stiftung gekennzeichnet. Genaugenommen ist die Bertelsmann Stiftung der einzige Akteur, der mehrfach genannt ist und offenbar nicht nur an einer einzigen, sondern an vielen Stellen mit seiner Lobbyarbeit angesetzt hat – im Kanzleramt, in der Bundesagentur für Arbeit, im Wirtschaftsministerium, bei den Unternehmensberatungen wie McKinsey und natürlich in der Hartz-Kommission selbst. So ist die Stiftung die Institution, die alles zu verbinden scheint.
Und noch etwas ist auffällig: Alle anderen Verbindungen – ob zwischen Hartz und den 14 Mitgliedern seiner Kommission, zwischen Hartz und den Ländern, Hartz und dem Kanzleramt oder Hartz und dem Ministerium – hat Schmid mit Querstrichen belegt, die starke oder zeitweise Spannungen verdeutlichen sollen. Nur die Verbindungen, die zwischen der Bertelsmann Stiftung und den anderen Akteuren laufen, sind nicht gestört. Es sind feine durchlaufende gepunktelte Linien. Sie alle stehen für den Zugang, den sich die Stiftung in vielen Jahren erarbeitet hat. Schmid hat zur Erklärung und Beschreibung zwei Worte daneben geschrieben, die das Prinzip und Geheimnis des Einflusses und Erfolgs der Stiftung kennzeichnen: »persönliche Beziehungen«. Die Stiftung musste Hartz nicht für sich vereinnahmen. Indem sie zu fast allen Parteien, mit den Hartz arbeitete, Beziehungen geknüpft hatte, war sie immer involviert und nahm Einfluss.
Statt fünf wissenschaftlicher Berater wie im Bündnis, waren es in der Hartz-Kommission nur zwei – nämlich der Politik- und Verwaltungswissenschaftler Werner Jann und Schmid. Dieser sagt: »Ganz eindeutig überwogen die Unternehmensvertreter, darunter Interessensvertreter des professionellen und kommerziellen Change Managements« – gemeint sind neben Firmenvertretern von Deutscher Bank oder BASF die Beratungsagenturen wie McKinsey und Roland Berger.
Für die Finanzierung der Arbeit und der Publikation hatte sich die Bertelsmann Stiftung angeboten. Schmid sagt: »Das war taktisch sehr geschickt von ihr. Man kann auch sagen, sie hat sich reingedrängt. Ihre Mitarbeiter haben ihre Modelle und Überlegungen immer wieder ins Gespräch gebracht. Der Einfluss der Bertelsmann Stiftung auf die Hartz-Kommission und Hartz IV ist relativ stark. Vor allem hat die Stiftung das Weltbild der Kommissionsmitglieder geprägt.« 8
Wie die Stiftung Ergebnisse der Kommission gezielt in die Medien bringt
Am 16. August 2002 überreichte Peter Hartz auf der Bühne des Französischen Doms in der Mitte Berlins Kanzler Gerhard Schröder den 344 Seiten starken Abschlussbericht der nach ihm benannten Kommission. Er handelte von »Ich-AG«, »Job-Floater« und »Bridge-System«; »Kunstwörter, die auf den ersten Blick niemand verstand, die aber modern klangen«, wie der Spiegel schrieb. Die Stiftung überließ die Darstellung in der Öffentlichkeit nicht dem Zufall. Als Hartz seine Konzepte an Schröder übergab, druckte die FAZ einen langen Bericht, in dem nicht Peter Hartz, sondern Frank Frick die Idee der Reformen ausführlich erläuterte – als sei nicht Hartz, sondern die Stiftung der Ideengeber der Reformen. Die Deutschen könnten »von den Briten aus Sicht der Wissenschaftler in der Kundenorientierung etwas dazulernen«, schrieb die FAZ . Wie im PR-Video der Stiftung, so ist auch in der FAZ von den maximal zehn Minuten Wartezeit die Rede. Immerhin gab die FAZ aber einen Hinweis, warum die Vermittlung in anderen Ländern offenbar erfolgreicher ist, und schrieb, in Schweden beispielsweise müsse ein Arbeitsloser auch eine 1 000 Kilometer entfernte Stelle annehmen oder Kürzungen hinnehmen. Unerwähnt blieb einmal mehr, dass in den Niederlanden die Mindestrente die vielen Zeitarbeiter absichert und dass der Vergleich mit Großbritannien fragwürdig ist, da die Marktwirtschaft dort eine andere ist. In den Darstellungen von Frick dagegen klang es, als könnte man die Erfolge mit Jobcentern und Zeitarbeit problemlos übertragen.
Es ist der Traum jedes PR-Manns: Frick und die Stiftung erhielten von der FAZ die Deutungshoheit. Zu Wort kam nur Frick, sonst niemand. Er wird als einzige Quelle genannt. Somit hatte die Stiftung ihre Konzepte nicht nur der Kommission, sondern auch der
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