Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
gespaltene Persönlichkeit wahr: Für ihn – so erinnert sich Schily – gab es Mohn, den aufgeschlossenen Besucher und Gesprächspartner in Witten, und den Mohn außerhalb Wittens, der nur sein System und sein Weltbild von der Unternehmenskultur predigte und in diesem Sinne technokratisch die ganze Hochschullandschaft umpflügen wollte.
Mohn hatte mit dem Direktorium an der Universität Witten/Herdecke jene unternehmerische Struktur verwirklicht, die Hochschulen seiner Meinung nach dringend brauchten. Mohn kam vier bis fünf Mal im Jahr nach Witten zu den Gremiensitzungen und auch, um mit Studenten zu diskutieren. Alle 14 Tage telefonierte Schily mit ihm und besuchte ihn hin und wieder in Gütersloh. Mohn brachte seine Kontakte ein und sorgte dafür, dass die Universität im April 1989 vertraglich abgesichert wurde. Erstmals konnte die Bankbürgschaft getilgt werden. Die Universität, die Bertelsmann Stiftung und das Bundesland Nordrhein-Westfalen schlossen dazu in der Düsseldorfer Staatskanzlei einen Vertrag, wonach Land und Bund die Uni mit 25 Millionen Mark förderten und die Stiftung den gleichen Betrag in fünf Jahren zahlen würde. Entscheidende Voraussetzung war aus Sicht der Stiftung die Beteiligung des Bundes an der Förderung. Die Stiftung fühlte sich mit ihrem Engagement »bestätigt«, wie sie im Jahr 1990 vermerkte.
Auf Anregung Mohns sollte die Universität nun gemeinsam mit der Stiftung Bewertungs- und Effizienzkriterien entwickeln. Die Stiftung nannte das »eine wesentliche Voraussetzung für die weitere Entwicklung der Hochschule«. Mohn wollte ihren Erfolg messbar machen. Er wollte die Hochschule als Modell verwenden und mit ihr zeigen, dass private Hochschulen besser geführt seien als staatliche und dass es der Qualität der Hochschulen insgesamt nutzen würde, wenn der Staat sich möglichst raushält und dafür Manager mit Mohns Methode der dezentralen Führung einspringen. Das Modell der staatlichen Hochschulen sei wegen ihres Finanzbedarfs nicht durch eine privat finanzierte zu ersetzen, sagte er 1990, allerdings »kann eine private Hochschule mit der ihr typischen, weil unabhängigen Arbeitsweise als Exempel dienen, aus dem Erkenntnisse gewonnen und auf staatliche Hochschulen übertragen werden können. Genau das ist auch eine der Zielsetzungen der privaten Universität Witten/Hedecke.« 3
Schily selbst war stets gegen Rankings – er ist es bis heute: »Wir sind ›privat‹ geworden, um die Freiheit zu erreichen«, sagt er. Rankings dagegen bedeuten für ihn einen »fundamentalen Freiheitsverlust.« Er kritisiert: »Wissenschaftler lassen sich wie Staubsauger mit einem TÜV-Siegel versehen. Wo es früher Forschercharaktere mit Widerspruchsgeist gab, werden wir zukünftig allein noch drittmittelantragskompetente Forschungsdesigner vorfinden.« Er fragte Mohn sinngemäß, wie er sich erinnert: »Wie wollen Sie die Qualität einer Universität messen? Das können Sie nur, indem Sie sich ansehen, was aus den Absolventen geworden ist.« Selbst wer nicht in seinem Beruf arbeitet, könne erfolgreich sein. Was sie aus ihrem Leben gemacht haben, sei entscheidend.«
1990 waren in Witten 480 Studenten eingeschrieben. Schily wollte bis 1997 rund 175 Millionen Mark investieren, damit 600 Mitarbeiter rund 2 000 Studenten betreuen können. Eine hohe Zahl von Professoren und Mitarbeitern, die eine vergleichsweise kleine Studentenschaft betreuen, verschafften der Uni den Ruf einer Elite-Universität. Die Förderung durch Bertelsmann führte zu kritischen Fragen in Zeitungen. Schily betonte in einem Interview: »Es kann keine Rede davon sein, dass sich hier ein Medienkonzern seine Uni kauft. In Gütersloh weiß und begreift man, dass eine Universität frei bleiben muss.« 4 Eine Botschaft nicht nur für die Leser, sondern auch für Mohn.
Bei einem Treffen fragte Mohn Schily, warum die Wissenschaft Bertelsmann so feindlich gegenüber stehe. Schily riet Mohn, zusammen mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) eine kleine GmbH zu gründen und mit diesem Institut die Hochschulpolitik zu beeinflussen. Diese Idee des späteren Centrum für Hochschulentwickelung (CHE) legte Schily Mohn vermutlich auch deshalb nahe, damit Mohn vom Umbau seiner Universität ließ. Er wollte seine Universität nicht als Modell für Mohns Vorstellungen missbrauchen lassen. Wie Schily selbst sagt, sei er aber nicht der Einzige mit diesem Rat gewesen, und die Dinge, die das CHE dann produziert hat und vorantrieb, hätten nicht
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