Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Zeitpunkt auf der Suche nach einem Finanzier und wollte mit Hilfe der Bertelsmann Stiftung ein Zentrum für das Stiftungswesen aufbauen. (Zwei Jahre später kam es tatsächlich zu Gesprächen darüber mit Reinhard Mohn, aber letztlich wurde die Idee nie umgesetzt.)
Auch Rawert ging auf die Problematik des Missbrauchs ein. Er ließ den Abgeordneten einen Artikel aus dem Spiegel kopieren, in dem es um die Hertie-Erben ging, die mit Hilfe einer Doppelstiftung ein Vermögen am Finanzamt vorbei in eine gemeinnützige Stiftung und wieder zurück in den Familienbesitz transferiert hatten. Der Fall liefere »ein Paradebeispiel dafür, wie leicht der gute Zweck als Vehikel zum Steuernsparen missbraucht werden kann«, schrieb der Spiegel . Sie kassierten unversteuert Millionen, während sie ihre gemeinnützige Stiftung mit 0,5 Prozent Rendite abgefunden haben. Damit der Transfer von der gemeinnützigen in die private Stiftung nicht anrüchig aussieht, sicherten die Hertie-Erben der gemeinnützigen Stiftung 37,5 Prozent der Gewinne zu. Doch die Dividende von jährlich über 40 Millionen Mark kam nie an, weil es offiziell kaum Gewinne gab. Stattdessen stellten die Erben der Stiftung Pkw- und Personalkosten in Rechnung und finanzierten Immobilien und einen Privatjet. Sie behaupteten: »Alles, was wir gemacht haben, ist vom Finanzministerium und der hessischen Stiftungsaufsicht als korrekt abgehakt worden.«
Die Realität bei Bertelsmann ist eine andere als im Fall der Hertie-Erben, aber das Prinzip und das Ergebnis sind ähnlich: Bei Bertelsmann kommen die Gewinne, die der Stiftung eigentlich zustehen, gar nicht erst in der Stiftung an, denn die Familie entscheidet in der BVG über die Dividende. So muss die Familie den Gewinn nicht heimlich zurücktransferieren. Die Gewinne bleiben einfach im Unternehmen, das ja die Familie kontrolliert.
Natürlich hatte die unternehmensverbundene Stiftung bei der Anhörung in Berlin auch Fürsprecher. Ambros Schindler, der Geschäftsführer des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft (des zweiten Dachverbandes, der zahlreiche Stiftungen vertritt), sagte: »Was im Rahmen der vom Gesetzgeber gesetzten Gesetze erlaubt ist, kann ich nicht plötzlich zum Missbrauch umdefinieren. Wir haben eine Reihe großer Unternehmensträgerstiftungen, die dazu da sind, einerseits die Unternehmensbeteiligung zu halten … und sie sollen sie möglichst auf Dauer halten, und sie haben mit ihren Erträgen einen gemeinnützigen Zweck zu erfüllen. Die Finanzverwaltung selbst überwacht, ob und wie weit Gewinne für gemeinnützige Zwecke ausgeschüttet werden oder wie weit sie ins Unternehmen wieder zurückfließen.«
Ihm sprang Rechtsanwalt Peter Lex aus München bei, der ebenfalls das Problem herunterspielte. Unerwähnt ließ er seine Rolle, die er im Fall der Hertie-Erben gespielt hat, schließlich hatte er sie juristisch beraten. Sein Anliegen bei dieser Anhörung war, die bestehende Konstruktion zu retten. Deshalb setzte er auch durch, dass der Bundesverband ausnahmsweise mit zwei Personen bei der Anhörung vertreten war. Sein Hinweis auf das System der Kontrolle täuschte allerdings über den Umstand hinweg, dass nicht die Aufsicht im Falle Hertie eingeschritten war, sondern ein ehemaliger Mitarbeiter Anzeige erstattet hatte.
Die Bertelsmann Stiftung selbst war in dieser Reform in mehrfacher Hinsicht nicht neutral. Sie propagierte ihr Modell der unternehmensverbundenen Doppelstiftung seit vielen Jahren in ihrer gemeinnützigen Projektarbeit als Lösung für viele mittelständische Unternehmen, die sich Gedanken über die Nachfolge machen. Sie lud zu Konferenzen und erläuterte – finanziert durch Steuer- und Stiftungsgelder – ihre Konstruktion. Sie nannte das »Stiften und Unternehmensnachfolge – eine integrierte Lösung«. Die Botschaft, die jeden dieser Vorträge umgab, lautete: Wir sind gemeinnützig und dienen der Allgemeinheit. Die Stiftung legitimierte sich also selbst. Sie wusste vermutlich nur zu gut, wie fragwürdig ihre Konstruktion als Sparbüchse des Unternehmens ist.
In der Anhörung wurde deutlich, wie man Missbrauch der Doppelstiftungen einschränken kann. Rawert machte dazu sogar einen Formulierungsvorschlag, den die Abgeordneten direkt übernehmen könnten. Sie taten es aber nicht. Dies blockierte ein Zusammenschluss aus Lobbyverbänden der Wirtschaftsprüfer und Steueranwälte, Bundesverband der Stiftungen, Finanzministerium und Bundesländern. Der Entwurf von 1997 wurde
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