Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
die Stiftung mit dem Stuttgarter Anwalt Rainer Kögel die Kritiker des Entwurfs in Stellung: Kögel betonte 1999 bei einer Veranstaltung der Stiftung, der Entwurf und sein gefordertes Verbot der unternehmensverbundenen Stiftung sei dogmatisch und ideologisch motiviert. Rawert habe einfach aus seinem Stiftungskommentar einen Gesetzesentwurf gemacht. Kögel betonte ausdrücklich, dass bestehende Stiftungen – falls der Entwurf der Grünen umgesetzt würde – Bestandsschutz genießen sollten, und begrüßte entsprechende Pläne im Entwurf. Das sei verfassungsrechtlich geboten. Doch Kögel und vor allem die Stiftung in Gütersloh wussten natürlich, dass ein Verbot über kurz oder lang Folgen für die Bertelsmann Stiftung haben würde. Schließlich war diese wegen ihres operativen Beratungsgeschäftes auf ständige Legitimation von der Politik angewiesen. Was, wenn sie stattdessen als halb legales Auslaufmodell gelten würde und sich ständig rechtfertigen müsste? Das wäre das Ende des Beratergeschäfts der Stiftung.
Ein Jahr, nachdem sie ihren Entwurf 1997 vorgestellt hatte, kam Vollmers Partei 1998 an die Regierung und Vollmer schrieb die Reform des Stiftungswesens im Koalitionsvertrag fest. Es war nur ein Satz, aber immerhin. Die Idee des Stiftens und der Gemeinnützigkeit hatte plötzlich viele Freunde: Die Kassen waren knapp und fremde Geldquellen willkommen. Politiker anderer Parteien entdeckten ebenfalls das Thema, auch weil Lobbyverbände darauf aufmerksam machten und Verbündete gegen Details des Vollmer-Entwurfes suchten. Doch zunächst erhielt Vollmer unerwartet Verbündete. Die FDP näherte sich mit einem Gesetzesentwurf den Thesen von Vollmer an und die CDU/CSU ging gar so weit und legte im November 1999 ein Positionspapier vor, wonach Stiftungsneugründungen nur noch gemeinnützig sein dürfen. Eine revolutionäre Forderung, denn demnach würden privatnützige Familienstiftungen gar nicht mehr genehmigt werden.
Diese Regelung hätte das Ende oder zumindest einen großen Verlust an Legitimität für das Doppelstiftungsmodell, das Bertelsmann praktiziert, bedeutet. Denn dieses Modell benötigt eine privatnützige Stiftung, die die gemeinnützige Stiftung führt. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen stellte 1999 fest: »Die Debatte hat eine neue Dimension erreicht.« 3 Die Reform der Praxis der unternehmensnahen Stiftungen schien nicht mehr aufzuhalten zu sein. Bedenkt man, dass die SPD traditionell alles andere als unternehmerfreundliche Stiftungspolitik betreibt, dann hätte damals alles auf die Umsetzung von Vollmers Reformideen hinauslaufen müssen.
Am 15. Dezember 1999 traf sich der Ausschuss für Kultur und Medien des Bundestags von 9 bis 13 Uhr im Reichstag, um über die Reform des Stiftungswesens zu beraten. Abgeordnete des Rechts- und des Finanzausschusses waren ebenfalls anwesend. Am Tag danach sollte der Gesetzesentwurf der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen in erster Lesung im Bundestag behandelt werden. Würde der Konflikt um das Modell der Bertelsmann Stiftung nun im Bundestag ausbrechen? Wie würden sich die Politiker verhalten? Würden sie das System Bertelsmann stützen?
Den Vorsitz der Anhörung führte die SPD-Abgeordnete Elke Leonhard. Neben Professor Annette Zimmer und Rupert Graf Strachwitz trat auch Professor Peter Rawert auf. Der Bundesverband der Stiftungen war durch zwei Personen vertreten, Christoph Mecking und Peter Lex. Die herausgehobene Stellung der Bertelsmann Stiftung wurde durch die Anwesenheit von Volker Then deutlich. Die Bertelsmann Stiftung war die einzige Stiftung, die den Abgeordneten als Sachverständige ihre Sicht der Dinge darlegen durfte. Tausende andere Stiftungen sind lediglich durch den Bundesverband und durch den Stifterverband repräsentiert. Diese herausragende Position verdankte die Bertelsmann Stiftung ihrer Arbeit zur Reform des Stiftungswesens. Dadurch war sie von Politikern als kompetente Kraft anerkannt, die speziellen Zugang erhielt und gehört wurde.
Der Einfluss der Bertelsmann Stiftung zeigte sich auch anhand des Papiers, das Then gemeinsam mit Annette Zimmer und Rupert Graf Strachwitz eingebracht hat. Darin plädierten sie dafür, nicht nur rein steuerliche Aspekte zu betrachten, sondern das Thema Stiftungen in den größeren Kontext der Reform einzubauen, also des Gemeinnützigkeitsrechts, wie Zimmer betonte. Sie halte das für wichtig, weil Deutschland im internationalen Vergleich den geringsten Anteil an Philanthropie
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