Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Politikern. Da kam es Reinhard Mohn zugute, dass er 1996 mit der Stadt Stiftung Gütersloh die erste Bürgerstiftung gegründet hatte und seine Stiftung diese Idee unterstützte (mehr dazu im folgenden Kapitel). Dass Bürgerstiftungen weniger demokratisch sind als Vereine, störte sie nicht.
Schröder musste nichts unternehmen, sondern nur zusehen, wie sein Finanzministerium, der Bundesverband der Stifter und die Bundesländer die Reform zerredeten und in ein Reförmchen verwandelten. Eine Reform wäre möglich gewesen, aber natürlich nicht gegen jene Stiftung, die gerade zum heimlichen Kanzlerberater geworden war. Für die Bertelsmann Stiftung wiederum hatte sich die Arbeit gelohnt. Eine Reform, die sie zur Ausschüttung zwingen oder ihre Anteile – wie in den USA – auf 20 Prozent begrenzen würde, hätte Familie Mohn Geld gekostet. Sie konnte sich in ihrem gemeinnützigen Engagement für die Doppelstiftung bestätigt fühlen – den Sparschweinfonds, wie er im Reichstag genannt wurde.
12. Mohn stiftet Demokratie – Die erste Bürgerstiftung Deutschlands
Antje Vollmer hatte es nicht geschaft, die Bertelsmann Stiftung und andere unternehmensverbundene Stiftungen zu reformieren. Dass die Bertelsmann Stiftung die Bedrohung echter Reformen, die sie zu mehr Gemeinnützigkeit gezwungen hätten, abwenden konnte, hatte unter anderem auch mit der Stadt Stiftung und dem Einsatz der Bertelsmann Stiftung für Bürgerstiftungen zu tun. Dieser Einsatz für Bürgerstiftungen wurde ihr als Einsatz für die Demokratie angerechnet, sagt Christoph Mecking. Während andere traditionelle Stiftungen Bürgerstiftungen belächelten, unterstützte Mohn dieses Modell von Anfang an.
Der Bertelsmann Stiftung half dabei ein Zufall: Als Mohn sich 1996 ein Symposium zu seinem 75. Geburtstag schenkte, konnte er von Vollmers Initiative für eine Reform des Stiftungswesens nichts wissen. Aber er hatte einen Plan, wie er sich als Erneuerer und Reformer des Stiftungswesen darstellen konnte. Monate davor hatte er wie so oft in die USA geblickt. Er hatte Werner Weidenfeld gebeten, dort nach neuen Ideen Ausschau zu halten. 1 Und tatsächlich spürte Weidenfeld im Gespräch mit amerikanischen Stiftungsfachleuten eine neue Idee auf, die sich Mohn aneignen würde. Die Idee der Community Foundation, der Bürgerstiftung.
Weidenfeld erfuhr, dass diese Art von Stiftungen eine der am schnellsten wachsenden Stiftungsformen in den USA sei. 1996 existierten dort bereits 400 solcher Stiftungen. Es ist eine Erfolgsgeschichte. Genau das also, wonach Mohn suchte. Weidenfeld informierte Mohn, dieser faxte seine Zustimmung in die USA und Weidenfeld lud Fachleute nach Gütersloh ein. Mohn hatte mit der Idee das richtige Geburtstagsgeschenk für sich gefunden. Die Idee würde ihn als Reformer erscheinen lassen. Er wollte nichts dem Zufall überlassen. Etliche Monate vor dem Symposium rief er Gerd Wixforth an, den langjährigen Stadtdirektor der Stadt Gütersloh. 2 Er fragte Wixforth was er von der Idee einer Community Foundation halte? Er erläuterte das Konzept und Wixforth war angetan von der Idee. Gemeinsam mit Wössner machten sie sich Gedanken, wie man dieses Konzept auf Gütersloh übertragen könnte.
Alles war von langer Hand vorbereitet und lief nach Plan – ganz so wie der Anflug des Bundespräsidenten, der pünktlich um 16.40 Uhr mit einem Hubschrauber neben dem künstlich angelegten Schwanenteich vor dem Stiftungsgebäude landete. Roman Herzog sprach über die segensreiche Wirkung der Bertelsmann Stiftung und am nächsten Tag schon erfuhren die Leser der Neuen Westfälischen : »Mohn will Stadt Stiftung Gütersloh gründen.« Er sehe darin ein »sinnstiftendes Modell« für Deutschland, das er in Gütersloh erproben wolle.
Mohn stiftet Demokratie. So kommunizierten Mohn und seine Mitarbeiter es. Und tatsächlich ließen sich Politiker in der Reformdebatte 1999, also drei Jahre nach Gründung der Stadt Stiftung, von der Kritik an der Doppelstiftung abbringen: Soll man den nervenden Streit mit den reichen Stiftern nicht besser beilegen und sich auf die Zukunft des Stiftens konzentrieren, also auf die Bürgerstiftungen? Die Bertelsmann Stiftung und andere große Stiftungen mögen etwas Feudalistisches an sich haben, aber muss man Mohn und seiner Stiftung nicht anrechnen, dass sie versuchen, das Stiftungswesen demokratischer zu gestalten? Gut, sich selbst nehmen sie aus, aber immerhin hat Mohn die Stadt Stiftung gegründet und damit die Idee der
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