Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Bürgerstiftung nach Deutschland geholt. So oder ähnlich wurde Kritikern nahegebracht, die harte Einstellung gegen unternehmensnahe Stiftungen und das Modell der Doppelstiftung ad acta zu legen.
Aber ist diese Argumentation wirklich schlüssig? Stiftete Mohn mit seiner Stadt Stiftung wirklich Demokratie? Christian Pfeiffer hat Zweifel daran. Der ehemalige Justizminister von Niedersachsen war bereits 1995 in den USA, um sich über Bürgerstiftungen zu informieren und versuchte in Hannover Bürger für diese Idee zu gewinnen. Es ging mühsam und langsam voran. Wegen seines Wissens und Interesses am Thema wurde Pfeiffer 1996 zum Symposium zu Mohns 75. Geburtstag eingeladen. Pfeiffer erfuhr im Vorfeld des Symposiums außerdem von der Idee Mohns, die erste Stadt Stiftung zu gründen. Während der Veranstaltung suchte er das Gespräch mit Mohn und wollte ihn auf Probleme seines Modells aufmerksam machen. Pfeiffer hat Mohn in diesem Gespräch als »ungeduldig und arrogant« in Erinnerung: »Mohn wollte keine Einwände hören. Er hatte sich entschieden, dass er mit dem Konzept der Bürgerstiftung der Erneuerer des Stiftungswesens werden würde – noch ehe die erste Bürgerstiftung existierte. Für ihn war alles klar.« 3
Auf Pfeiffer wirkte das Symposium »wie eine Inszenierung« und das war es ja auch. Es war eine Inszenierung der Gemeinnützigkeit von Reinhard Mohn, bestätigt durch den Bundespräsidenten, dessen Rede in Absprache mit der Stiftung vorbereitet worden war. Pfeiffer sagte Mohn in dem Gespräch, dass schon der Name Stadt Stiftung, den Mohn gewählt hatte, falsch sei. Mohn hatte jedoch kein Einsehen und sagte zu Pfeiffer: »Sie machen Ihr Ding und wir machen unseres. Wir werden sehen.« Pfeiffers Eindruck beim Gespräch mit Mohn: »Er machte einfach zu.«
Pfeiffer prophezeite Mohn damals, er werde mit seinem Modell scheitern und die Leute werden es nicht annehmen. Mohns Modell war eine von oben verordnete Stiftung, in der der Stifter alle Rechte behält. In Mohns Satzung, die der damalige Geschäftsführer der Bertelsmann Stiftung, Andreas Schlüter, entworfen hat, war festgelegt, dass Mitglieder der Leitungsgremien von anderen Mitgliedern neu in diese Gremien berufen werden und dass sie zu unterschiedlichen Zeiten ausscheiden. So war festgelegt, dass die Personen, die Mohn einsetzte, die Stiftung in der Hand behalten und dass Bürger nie demokratisch bestimmen können, wer aufrückt. Statt zwei Millionen Mark zu spenden, wäre es klüger gewesen, einen Matching Fund einzurichten und so jede Mark, die von Gütersloher Bürgern gespendet wird, zu verdoppeln, sagt Pfeiffer im Rückblick. Die Botschaft hätte dann gelautet: Diese Stiftung ist ein Werk der Bürger. Stattdessen gründete Mohn die Stadt Stiftung im Alleingang.
Pfeiffer sagt heute: »Mohn hat das Modell Bürgerstiftung aus seiner Biografie heraus nicht verstanden. Mohns Modell ist von Beginn an belastet. Sein Modell führt in die fasche Richtung. Statt die Stiftungsidee zu erneuern, belastet es die Idee der Bürgerstiftung durch falsche Prinzipien aus der Welt der Wirtschaft.« Er sieht sich bestätigt darin, dass Mohn dank seiner Kontakte lediglich schneller war und dadurch behaupten konnte, er habe die erste Bürgerstiftung gegründet. Doch niemand in Deutschland sei seinem Modell gefolgt. Selbst die Stadt Stiftung habe ihre Satzung geändert. Die Bertelsmann Stiftung freilich tut so, als gebe es diesen wichtigen Unterschied nicht, und feiert Mohn als Gründer und Erneuerer der Stiftungsidee. Bei einem Kongress der Stiftung nach der Gründung der Stadt Stiftung hielt Pfeiffer in Gütersloh einen Vortrag und kritisierte darin Mohns Modell ausdrücklich als verfälschend und problematisch. Er versuchte auch noch einmal mit Mohn ins Gespräch zu kommen, aber Mohn blieb bei seiner Auffassung. »Er war altersstarr und hörte nicht mehr zu«, erinnert sich Pfeiffer. »Kritik hat ihn nicht mehr erreicht.«
Im Dezember 1997 sprachen auf der Jahrespressekonferenz der Bertelsmann Stiftung Mohn und Wössner auch über die Stadt Stiftung, die – wie Mohn gestenreich sagte – von den Bürgern gut angenommen werde. Mohn betonte, dass eine Bürgerstiftung nicht so sehr von einem Stifter abhänge, sondern vom Bedarf in der Stadt. »Das ist eine Bürgerinitiative«, sagte Mohn. Doch die Verordnung von Mohns Idee stieß in Gütersloh nicht auf jene offene Begeisterung, wie Mohn, Wixforth und Wössner das gerne gehabt hätten. Die Bürger hielten sich mit
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