Berthold Beitz (German Edition)
Bescheid geben zu können. Bei allem Verständnis für den von Ihnen geäußerten Wunsch bittet Herr Beitz Sie doch, zu verstehen, daß er angesichts der privaten Natur seiner Reise keine Möglichkeitsieht, sich in die Behandlung der Umsiedlungsfrage einzuschalten, die allein in der Zuständigkeit polnischer Regierungsstellen liegt.«
Das sind keine Ausflüchte. In großem Stil kann Beitz schon allein deshalb nicht helfen, weil die polnische Regierung damit zugeben würde, dass sie zahlreiche deutschstämmige Bürger widerrechtlich an der Ausreise hindert. Mehr noch, Warschau bestreitet offiziell, dass das Problem überhaupt existiert, und so ist es in allen Staaten des Ostblocks. Beitz muss daher bei seinen Reisen sehr diskret und sensibel vorgehen, wenn er in Einzelfällen etwas erreichen will. Und tatsächlich: Auf diese Weise gelingt ihm das immer wieder.
Sein Kontaktmann nach Polen ist auch in diesen Fragen Handelsrat Lachowski, der sich lebhaft erinnert: »Da hat er sich an niemanden anders gewandt, immer an mich, und gesagt: ›Lachowski, wir müssen was tun.‹« Er berichtet davon, wie sie manchmal an einer Westberliner Brücke standen, direkt an der Sektorengrenze, und jemand von drüben herüberkam – in den Westen, in die Freiheit, freigekommen durch Beitz. Lachowski will »ganze Listen mit Namen« gehabt haben: »Manche Leute darauf haben ihn um Hilfe gebeten, andere auch mich direkt. Wir haben versucht zu helfen.«
Da ist etwa 1963/64 der Fall von Günther und Reinhold Bartum aus Oppeln, nun Opole. Beitz hat Lachowski um seine »freundliche Unterstützung bei der Rückführung der Familie des Herrn Reinhold Bartum« gebeten, eines »menschlich sehr tragischen Falls«. Günther Bartum, der in Duisburg lebt, hat in den Wirren des Zusammenbruchs bei Oppeln, in den nunmehr polnischen Ostgebieten, den Kontakt zu seiner Frau und seinem Sohn Reinhold verloren; sie bleiben verschollen. Nach fünf Jahren, 1950, lässt er seine Frau für tot erklären. Zehn Jahre später, längst hat er eine neue Familie gegründet, erfährt er auf Umwegen eine dramatische Neuigkeit: Reinhold lebt. Jahrelang versucht er, bei der Oppelner Woiwodschaft die Ausreise des Sohns und dessen Familie zu erreichen, um dann im November 1963 resigniert an Dobbert zu schreiben: »Schließlich wurde unsere ganze Hoffnung zunichte gemacht, denn die Ausreise wurde ohne Begründung abgelehnt.«
Mangels offizieller Kanäle wenden sich auch Politiker an Beitz; in der Causa Bartum ist es der nordrhein-westfälische Landtags-Vizepräsident Alfred Dobbert: »Ich sehe in Ihnen denjenigen, der, wenn nicht helfen, so doch einen guten Rat geben kann.« Beitz möge prüfen, ob er »persönlich eine Verbindung zu Gomulka herstellen« könne. Beitz bringt den Fall, »der eine besonders menschliche Anteilnahme verrät«, bei Gomulka in Warschau zur Sprache, offenkundig mit Erfolg: Reinhold Bartum und seine Familie dürfen 1966 in den Westen ausreisen.
Ein weiteres Beispiel. 1966 schreibt Iris H. aus Nordhorn an Beitz: »Hoffentlich erreicht Sie dieser Brief. Sie sind vielleicht der einzige, der helfen kann.« Ihr Verlobter, Ingenieur auf einem deutschen Erzfrachter, ist im Dezember 1965 auf einem Landgang in Gdansk/Danzig festgenommen worden und wegen angeblicher polenfeindlicher Äußerungen und »Verherrlichung faschistischer Verbrechen« in einer Hafenkneipe zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Der Seemann hat einen guten Leumund, es erscheint sehr unwahrscheinlich, dass er in polnischen Wirtschaften betrunken »Schweine Polen« brüllt. Offenkundig sind diese Vorwürfe frei erfunden. Beitz lässt der Verlobten durch sein Büro ausrichten, er werde sich für den Mann einsetzen: »Dies kann allerdings nur durch ein persönliches Gespräch und aus Anlaß eines Besuches von Herrn Beitz geschehen.« Kurz vor Weihnachten 1966 kommt der Ingenieur tatsächlich frei, und Iris H. dankt Beitz »herzlichst für Ihre Bemühungen«. Als einmal zwei Westdeutsche in Polen unter Spionageverdacht festgenommen werden, halten Beitz’ Rechtsberater eine Fürsprache allerdings für aussichtslos. Solche Fälle sind politisch zu brisant.
Mit den Polen ist es schwer genug, für Beitz aber noch am einfachsten: Hier hat er die besten Verbindungen – wegen seiner Vergangenheit, wegen seiner Freundschaft zu Cyrankiewicz und dank des hilfsbereiten Leonard Lachowski in Frankfurt. Weitaus problematischer sind humanitäre Verhandlungen mit der UdSSR , da, wie ihm das
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